Die Ankunft
wird.«
Volkert atmete auf. Von Klasewitz war, ohne es zu ahnen, einer Falle ausgewichen. Er hatte selbst nicht viel vom Kirchenstreit mitbekommen, der zu dieser Zeit das Reich zu spalten drohte, aber er wusste, dass Rheinberg höchste Vorsicht bei der Diskussion religiöser Fragen befohlen hatte. Hier betrat man sehr schnell brüchiges Eis.
Petronius schien mit von Klasewitz' Antwort bis auf Weiteres einverstanden zu sein.
»Das freut mich. Ich werde Euch einen Boten schicken und einladen, wenn es so weit ist. Wie ich höre, seid Ihr Geiseln – da dürft Ihr wohl nicht nach Belieben in der Stadt herumspazieren.«
»Wir sind Geiseln, dennoch behandelt man uns wie Gäste«, erklärte von Klasewitz. »Einem Gottesdienst beizuwohnen dürfte kein Problem darstellen.«
»Gut, gut. Wenn Ihr aber Geiseln seid, gegen welche Gefahr will man sich hier wappnen, indem man Euch als … Gäste hierbehält?«
»Es ist eine Vorsichtsmaßnahme, würde ich sagen«, erwiderte von Klasewitz nicht ohne Schlauheit. »Wir müssen wohl, das gebe ich zu, unseren guten Willen unter Beweis stellen. Geiseln zu stellen, ohne zu murren, ist ein solcher Beweis, würdet Ihr nicht sagen?«
Petronius lächelte säuerlich. Ihm war anzusehen, dass er diesen Teil der Diskussion gerne in eine etwas andere Richtung gelenkt hätte. Ihm blieb jedoch nichts anderes übrig, als der Einschätzung des Ersten Offiziers zuzustimmen.
Das Gespräch setzte sich noch eine gute halbe Stunde fort. Volkert sah sich kaum genötigt, erneut in die Konversation einzugreifen, denn von Klasewitz hielt den Priester gut auf Trab. Anstatt sich von ihm ausfragen zu lassen, stellte er seine eigenen Fragen, vor allem hinsichtlich des drohenden Schismas in der Kirche zwischen den Arianern und den Trinitariern. Volkert hörte aufmerksam zu, denn er hatte selbst noch nicht allzu viel davon begriffen, obgleich es eine sehr wichtige Auseinandersetzung dieser Zeit war. Petronius selbst war überzeugter Trinitarier, wie ohnehin jeder immer ganz und gar von etwas überzeugt zu sein schien. Dass er die arianische Sichtweise daher weniger euphorisch darstellte und allerlei abwertende Worte für diese Position fand, war nicht weiter verwunderlich. Es war für Volkert schon befremdlich, herauszufinden, dass sich der Streit letztlich nur um eine bestimmte Frage drehte: Was war Jesus – selbst Gott und göttlich oder als Sohn Gottes eine Gott untergeordnete Person? Arius, einer der Kirchenältesten, vertrat letztere Ansicht, daher wurden seine Anhänger Arianer genannt, während die Gegenpartei, die von der Dreieinigkeit Gottes ausging, als Trinitarier bezeichnet wurde. Zu Volkerts Zeit war dieser Streit lange Geschichte, denn die Trinitarier hatten die Auseinandersetzung – teilweise mit Gewalt – für sich entschieden. Hier jedoch, im Jahre 378, war der Ausgang noch ungewiss. Derzeit schien die trinitarische Lehre sogar in einer defensiven Position zu sein, denn während im Westen trinitarische und arianische Bischöfe über das Reich verteilt waren, wurde der Osten Roms durch die Arianer dominiert. Volkert erinnerte sich aus dem Schulunterricht nicht daran, wie dieser Streit dann doch in der vollständigen Niederlage der Arianer endete. Wie die gesamte Kirchenpolitik hatte auch diese Auseinandersetzung sehr viel mit Macht und politischen Ränkespielen zu tun, und nicht zuletzt der Nachfolger des derzeitigen Kaisers auf dem Thron, Theodosius, schien zusammen mit dem Bischof von Mailand instrumentell in der Niederschlagung des arianischen »Irrglaubens« gewesen zu sein. Dass Rheinberg angedeutet hatte, die Ernennung des Theodosius durch Gratian verhindern zu wollen, bedeutete für Volkert, dass der Kapitän in dieser Art restriktiver Religionspolitik eher ein Problem sah. Er würde sich nicht einmischen, vor allem, da er selbst Protestant war: Einem Bischof dieser Zeit von der Reformation zu berichten, würde mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen, der Häresie bezichtigt zu werden. Volkert enthielt sich daher eines jeden Kommentars, hatte jedoch das Gefühl, dass Petronius ein sehr vitales Interesse daran hatte, die Position der Deutschen in dieser Frage zu kennen.
Von Klasewitz war Katholik, wie Volkert wusste, und als er sich schließlich in einem Nebensatz letztlich zu den Trinitariern bekannte, leuchteten Petronius' Augen förmlich auf. Volkert unterdrückte jede Reaktion. Die restlichen zehn Minuten ihrer Begegnung bestanden aus einem religiösen Vortrag des Priesters, dem der
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