Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
Vom Netzwerk:
Diplomat«, fuhr Rheinberg fort, »und hat bei wichtigen Problemen seiner Regentschaft das richtige Augenmaß bewiesen. Er hat auch das Problem mit den Goten so gut gelöst, wie es eben noch möglich war. Ich will nicht behaupten, dass seine Wahl falsch ist – Gratian hat in seiner Situation eine Entscheidung getroffen, und seine Wahl hätte auf einen schlechteren Kandidaten fallen können.«
»Aber?«
»Aber er ist zu leicht den Einflüsterungen des Ambrosius erlegen, wird eine rigide, unterdrückerische Religionspolitik führen und damit die innere Kraft des Reiches schwächen. Die Einheit der Kirche, für die er von der Nachwelt – vor allem den trinitarischen Historikern – den Namen ›der Große‹ bekam, hat er teuer erkaufen müssen. Und er hat mindestens einen völlig unnötigen Bürgerkrieg geführt. Es hätte sicher noch schlimmer kommen können – aber eben auch viel besser.«
»Gratian hört ebenfalls auf Ambrosius.«
Rheinberg nickte versonnen. »Ja, und auch da werden wir etwas tun müssen. In ein paar Jahren wird er den Victoriaaltar aus dem Senat entfernen und das Toleranzedikt aufheben. Er wird den Kirchen dermaßen große Privilegien einräumen, dass es die finanzielle Krise des Reiches noch einmal verschärfen wird. Theodosius wird darin nicht zurückstecken. Letztlich geht es auch und vor allem um das Geld, das dem Staat zur Verfügung steht.«
»Du bist gegen die Einheit der Kirche?«, wollte Africanus wissen.
»Gar nicht. Ich bin absolut der Ansicht Konstantins, dass das Imperium ein einigendes Band braucht. Er hat in der Kirche ein großes Potenzial dafür gesehen, aber er hat sich verschätzt und musste nachher ja selbst oft genug in die Streitigkeiten der nunmehr von allen Zwängen befreiten Kirche eingreifen. Hat ihm viel Zeit und Anstrengung gekostet. Aber das einigende Band, das Konstantin sich gewünscht hat, kann noch nicht die Kirche sein – sie ist noch nicht so weit. Und mit Gewalt kann man es nicht herbeiführen. Das klappt nur, wenn der Staat, der dies versucht, stark ist und sich diesen Dingen ohne äußere Bedrohung widmen kann. Das ist derzeit nun wirklich nicht der Fall. Nein, eine Kircheneinigung soll es meinetwegen geben, jedoch nicht per Dekret.«
»Was eint dann das Reich gegen die äußeren Feinde?«
Rheinberg zeigte auf die sich aus dem Abenddunst schälende Residenzstadt vor ihm. »Das dort, mein Freund. Der Gedanke des Reichs. Die Kraft der Zivilisation als Gegenpol zur Barbarei. Eine Zivilisation, die alle verbindet, ob nun Trinitarier, Arianer oder Anhänger anderer Religionen. Eine Idee, die dazu führt, dass jede Art von Christen zusammen mit Anhängern des Mithras oder Jupiters auf dem Schlachtfeld Seite an Seite steht, um das Reich und die Idee dieses Reiches zu verteidigen.«
Rheinberg wandte sich Africanus zu, der nachdenklich wirkte.
»Du bist das beste Beispiel dafür, mein Freund.«
»Ich?«
»Ja. In meiner Zeit hat unser Reich deine Völker erobert und unterjocht. Sie haben keine Chance, das Bürgerrecht zu erlangen, auch wenn viele in unserer Armee dienen. Deine dunkle Hautfarbe wird von vielen als Beweis für Minderwertigkeit angesehen. Und ich sehe dich hier, einen Trierarchen mit vollem Bürgerrecht, der neben mir reitet, um seinen Imperator aufzusuchen. Das erzähle mal einem Führer der Hottentotten.«
»Der was?«
Rheinberg winkte ab. »Egal. Was ich sagen will, ist, dass die Tatsache, dass man in Sicherheit und Wohlstand leben möchte, sehr viel mit der Reichsidee zu tun hat, die, richtig angewendet, das einigende Band sein sollte, das das Imperium zusammenhält. Religion sollte da nicht wichtiger sein als die gemeinsame Wohlfahrt. Das sollte auch und gerade ein gebildeter und keinesfalls dummer Mann wie Gratian verstehen.«
Africanus lächelte. »Ich erinnere mich gerade an etwas, was mir mein Großvater mal erzählt hat. Sein Vater war ein einfacher Fellache gewesen und die Flotte sein größter Traum. Er war der zweite Sohn seines Vaters und würde das Land nicht erben, auf dem er geboren wurde. Also zog er nach Alexandria und ging zu den Anwerbern. Sie wollten ihn nicht nehmen, da er humpelte. Er ließ sich schließlich in der Stadt nieder und arbeitete im Hafen, doch dieser Wunsch, etwas mehr zu werden als ein rechtloser Bauer ohne Bürgerrecht, den hat er auf seinen Sohn, meinen Großvater übertragen. Und der wurde von den Anwerbern genommen. Er fing als einfacher Matrose an, ruderte sich zehn Jahre lang den Rücken krumm, und am Ende

Weitere Kostenlose Bücher