Die Ankunft
nur ein Versprechen. Von Klasewitz summte der Schädel. Er musste nachdenken. Er musste abwägen.
Er musste entscheiden.
32
Es war schon dunkel und Thomas Volkert war viel zu spät eingefallen, dass Julias Nachricht eine wichtige Information nicht enthalten hatte, nämlich wo sie sich treffen sollten. Dennoch spürte er ein seltsames Vertrauen in die Fähigkeiten der außergewöhnlichen Senatorentochter und stellte nur sicher, dass er zur angegebenen Stunde alleine in seinem Zimmer saß und bereit war für … nun, wofür auch immer.
Er war recht froh, einen Grund gehabt zu haben, sich zu entschuldigen. Die Männer hatten sich nach dem Abschied des Petronius nicht mehr besprochen, aber am darauf folgenden Tag war der Besuch lange Gesprächsthema gewesen. Von Klasewitz hatte den anderen Soldaten nur eine sehr knappe Version dieser ersten Auseinandersetzung gegeben, er schien die Ansicht zu vertreten, dass sowohl Unteroffiziere wie auch Mannschaften mit derlei nicht behelligt werden sollten. Dies angesichts eines so alten, erfahrenen und das Vertrauen des Kapitäns genießenden Seebären wie Köhler durchblicken zu lassen, grenzte an Beleidigung. Doch Köhler kannte von Klasewitz und wusste, wie er ihn zu nehmen hatte. Volkert hatte ihn und Behrens anschließend noch einmal beiseitegenommen und eine erweiterte und letztlich auch kommentierte Fassung erzählt. Behrens, der mit Ach und Krach die Volksschule geschafft hatte und von jeglicher Bildung herzlich unbeeinflusst war, hatte lediglich mit den Achseln gezuckt und deutlich gemacht, dass man ihm nur rechtzeitig sagen solle, wann er wen zu erschießen habe und dass er lieber Befehle von Volkert als von »diesem albernen Schnösel« entgegennehmen würde. Köhler, der viel herumgekommen war und den zumindest das Leben einiges gelehrt hatte, nahm die Sache erkennbar nicht auf die leichte Schulter. Seine schlechte Meinung über den Ersten Offizier hatte sich nur noch verstärkt, wenn das überhaupt möglich gewesen war.
Der Tag war ansonsten langweilig gewesen, vor allem, da die Männer unter Hausarrest standen. Es fehlte ihnen an nichts außer an Ablenkung. Die dienstbaren Sklaven führten anstandslos jeden Befehl aus – insbesondere von Klasewitz schien an der Idee der Sklaverei zunehmend Gefallen zu finden, was nicht weiter verwunderlich war, behandelte er seine Untergebenen doch meistens genauso. Aber das war es dann auch schon. In Unterhaltungen ließen sich die Diener nicht verwickeln, und obgleich sie mangelndes Verständnis vortäuschten, vermutete Volkert, dass sie diesbezüglich instruiert worden waren.
Die Römer waren keine Dummköpfe, der Fähnrich hatte aber den Eindruck, dass von Klasewitz sie letztendlich doch für noch etwas primitiv hielt. Was der Adlige nicht auseinanderhalten konnte, waren technologische Entwicklung und Intelligenz. Ein Volk, dem es gelungen war, ein gigantisches Imperium zu errichten und über Hunderte von Jahren zu erhalten, sollte man nicht unterschätzen.
Er hatte früh zu Abend gegessen – so langsam konnte er sich sogar fast an das Garum gewöhnen – und sich dann entschuldigt, er fühle sich nicht wohl. Da sowohl von Klasewitz als auch zumindest einer der Gefreiten den römischen Speisen schon aus Prinzip weiterhin ablehnend gegenüberstanden, wurde die Ausrede mit verstehendem Nicken quittiert.
Und hier saß er nun. Er hielt Julias Notiz wie ein Kleinod in seinen Händen. Die Mischung aus Aufregung, Angst und … Sehnsucht, die ihn erfüllte, machte ihn nervös. Was immer die Senatorentochter mit ihm angestellt hatte, es wirkte wie ein Zauber, der ganz und gar von ihm Besitz ergriffen hatte. Es gab keinen Zweifel, er war furchtbar verliebt und dieses Gefühl vernebelte ihm alle Sinne.
Der Genuss, den er darin fand, war größer als alle Furcht oder die Stimme seines Verstandes.
Die Tür öffnete sich und Volkert zuckte zusammen. Ein Sklave trat ein, sah sich um, dann winkte er hinter sich. Ihm folgte eine vermummte Gestalt, verhüllt von einem weiten Umhang. Eine schlanke Hand erschien unter dem Umhang, einige Münzen wechselten den Besitzer und der Sklave verschwand mit ausdruckslosem Gesicht.
Volkert musste nicht warten, bis sich der Umhang von der Gestalt löste. Er wusste auch so, dass es nur Julia sein konnte. Er stand auf, eilte auf sie zu, und sie erwiderte seine Umarmung mit der gleichen Inbrunst und Kraft. Ihre Lippen trafen sich zu einem langen, intensiven Kuss, der ewig zu dauern schien. Als sie sich schwer
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