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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
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fielen sie während der freien Zeiten meist todmüde in die Hängematten und hatten höchstens während der Mahlzeiten Gelegenheit, Animositäten auszutauschen. Darüber hinaus hatte Oberbootsmann Köhler sich mit Oberwachtmeister Behrens angefreundet, und vieles, was sonst die Aufmerksamkeit der Offiziere auf sich gelenkt hätte, war auf dieser Ebene bereits »erledigt« worden. Rheinberg und Becker hielten sich beide wohlweislich aus diesen Dingen heraus, solange die altgedienten Unteroffiziere die Lage im Griff hatten, und das hatten sie offensichtlich.
Am Abend des zehnten Tages, etwa vierzehn Stunden vor ihrer geplanten Ankunft in Portugal, lud Kapitän von Krautz zu einem Abendessen in die Offiziersmesse ein. Bis auf den Wachhabenden, den Dritten Offizier Oberleutnant zur See Joergensen, sowie zwei Divisionschefs, waren alle verbleibenden fünfzehn Offiziere der Saarbrücken sowie Hauptmann Becker und sein Stellvertreter, Oberleutnant Roger von Geeren, anwesend. Der neue Herr der Maschinen, Marineoberingenieur Johann Dahms, gesellte sich ebenfalls zu ihnen. Rheinberg hatte bisher keine Gelegenheit gehabt, sich in Ruhe mit Dahms zusammenzusetzen, denn seine Nachtschichten hatten dazu geführt, dass der Ingenieur schlief, wenn Rheinberg aktiv war. Rheinberg kannte Dahms' Stellvertreter Dortheim recht gut und hatte mit ihm kurz über den neuen Chef gesprochen, und es schien, dass Dahms seine Sache verstand und im Maschinenraum mit ruhiger Hand regierte. Der Dienst unter Deck war mörderisch, die Hitze oft kaum auszuhalten und die Schichten die Hölle. Die Heizer und Mechaniker waren eine verschworene Gemeinschaft, wenn es dem Chef gelang, sie zu einer solchen zu schmieden. Das war nicht einfach, denn es waren gerade die Mannschaften dort, die sich in der Vergangenheit als besonders anfällig für sozialdemokratische Infiltration gezeigt hatten. Dahms schien sich seiner Verantwortung allerdings durchaus bewusst zu sein.
Die Offiziersmesse war kein großer Raum und wurde durch den Esstisch dominiert. Am Kopfende residierte von Krautz, sich leise mit Dahms unterhaltend, als Rheinberg schließlich die Messe betrat und zum Gruß ansetzte. Ein Blick genügte bereits, um klarzumachen, dass der Kapitän heute Abend keinen Wert auf Förmlichkeiten legte, und sein Winken führte dazu, dass Rheinberg schlicht Platz nahm und wartete, dass der Pantrygast das Essen servierte. Nachdem der Kapitän dann den Toast auf den Kaiser angeboten und alle die Gläser erhoben hatten, begann alle zu essen – es gab Fisch, Kartoffeln und Rotwein, nichts Außergewöhnliches, aber wie meist gut essbar – und entwickelte sich am Tisch ein hin und her wogendes Tischgespräch.
»Ich denke, dass es da gar keinen Zweifel geben kann«, hörte Rheinberg die leicht affektiert klingende Stimme von Klasewitz' hervorstechen, während dieser noch eine Gabel Salzkartoffeln in den Mund schaufelte. Die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich auf den Zweiten Offizier, und zwar weniger, weil der Mann etwas gesagt hatte, sondern mehr, weil Hauptmann Becker mit geröteter Gesichtshaut auf seinen Teller starrte und mit mechanischen Bewegungen kaute. Rheinberg kannte Becker mittlerweile gut genug, um zu erkennen, dass der um seine Fassung rang und wütend war. Von Klasewitz schien dies entweder nicht zu bemerken oder es war ihm egal. Er sprach unverdrossen weiter und es wurde rasch klar, warum Becker lieber darauf verzichtete, sich zu äußern.
»Ihre Allerhöchste Majestät hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, und das in aller Deutlichkeit, dass die Kriegsmarine sich höchster Gunst und Wertschätzung erfreut und den anderen Teilen der Streitkräfte vorzuziehen sei. Ja, es sei von besonderer Bedeutung, vor allem die Marine, und darin das Offizierskorps, zu größter und vorzüglichster Entfaltung zu bringen.«
Von Klasewitz sprach wie ein Kommuniqué, und er tat es mit einem Maß an Selbstgefälligkeit, das allen unmittelbar auffiel. Rheinberg fühlte mit Becker. Völlig unrecht hatte der Zweite Offizier natürlich nicht: Kaiser Wilhelm II. war dafür bekannt, der Marine seine Aufmerksamkeit in weitaus höherem Maße zu schenken als anderen Teilen der Streitkräfte. Aber dass jemand wie von Klasewitz daraus so etwas wie eine naturgesetzliche Hierarchie zu konstruieren schien, und das in Gegenwart eines Heeresoffiziers, war nicht bloß unhöflich, es war vor allem extrem unkameradschaftlich.
Rheinberg hielt an sich. Er blickte auf und seine Augen trafen das

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