Die Ankunft
Gesicht Dahms', der von Klasewitz mit sichtbarer Abscheu anstarrte. Rheinberg wusste, dass die Marineingenieure, die fast alle aus den bürgerlichen Schichten kamen, der speziellen Mischung aus Arroganz und Jovialität, die adelige Seeoffiziere manchmal für diese »niedrige« Klasse von Offizieren übrig hatten, ganz besonders wenig Sympathie entgegenbrachten. Dahms wirkte mindestens genauso angefressen wie Becker, doch beide schwiegen, denn es war nicht an ihnen, darauf zu antworten.
Von Krautz räusperte sich.
»Herr von Klasewitz, wir sind uns alle der besonderen Gnade Ihrer Majestät bewusst, als professionelle Offiziere wissen wir jedoch alle ganz genau, jeder Sieg hängt davon ab, dass er gleichermaßen auf See wie zu Lande errungen wird. Es wäre kurzsichtig, dies abzustreiten, und die bloße Tatsache, dass wir Befehl erhielten, den Hauptmann und seine Männer nach Kamerun zu bringen, verdeutlicht uns, dass sie dort möglicherweise etwas zu vollbringen haben, das dieser Stationskreuzer nicht kann.«
Der Tonfall des Kapitäns war tadelnd gewesen, wenngleich ruhig, doch mit unverkennbarem Unterton. Von Klasewitz schien unbeeindruckt.
»Neger kontrollieren, Wilde im Zaume halten. Möglicherweise eine Aufgabe, für die ein Mann des Heeres notwendig ist, aber nichts von wirklicher Bedeutung«, grunzte er abfällig.
»Was ist denn Ihrer Ansicht nach von Bedeutung?«, fragte Neumann. Der Bordarzt wirkte ebenfalls nicht übermäßig begeistert.
Von Klasewitz schaute ihn an, als habe er die dämlichste Frage seit Beginn der Menschheitsgeschichte gestellt. Er seufzte und antwortete in einem Tonfall, als spräche er zu einem ungezogenen Kind.
»Herr Marineoberstabsarzt, das dürfte doch selbsterklärend sein. Die deutsche Flagge auf den Ozeanen zu führen, im Kriegsfalle die Wasser von unseren Feinden zu säubern und damit Reichtum wie Seemacht des Reiches unter Beweis zu stellen, dürfte mehrfach wichtiger sein, als Negerdörfer zu patrouillieren.«
»Soso«, murmelte Neumann. »Und zu welchem Zwecke tun wir das?«
»Was für eine Frage! Um Ruhm und Macht des Vaterlandes …«
»Das heißt, wir haben die Kolonien erworben, um Ruhm und Macht zu mehren?«, hakte Neumann nach.
»Ganz sicher doch!«
»Nicht wegen der Rohstoffe oder aufgrund strategischer Überlegungen?«
Von Klasewitz machte ein Gesicht, als habe er in einen sauren Apfel gebissen.
»Nun, ja, gut …«
»Und was passiert wohl mit den von uns so grandios beschützten Seewegen, wenn die Kolonien keine Waren produzieren, die auf diesen Seewegen zu transportieren wären?«
»Ich denke …«
»Und was passiert wohl, wenn die Kolonialtruppen nicht da wären? Glauben Sie, dass der Afrikaner tatsächlich voller Glück und Begeisterung die fremde Herrschaft des deutschen Kaisers sucht und dann nicht vielleicht doch eher zu dem Schluss käme, eine eigene Regierung zu errichten?«
Von Klasewitz lachte auf. »Eigene Regierung? Das sind Wilde! In Afrika hat es niemals eine Regierung gegeben, die diese Bezeichnung verdient hätte!«
Neumann runzelte die Stirn.
»Die Berichte deutscher Forscher sprechen diesbezüglich eine andere Sprache. Ich darf mal an das Kongo-Königreich erinnern. Jedenfalls steht klar und unbezweifelbar fest, dass ohne die Präsenz des Heeres in den Kolonien unser Dienst zu See völlig sinnlos wäre, da es nichts zu bewahren gäbe.«
»So ist es!«, stimmte von Krautz zu und warf von Klasewitz einen zwingenden Blick zu. So langsam begriff der Zweite Offizier, dass er auf verlorenem Posten kämpfte. Mit hochrotem Gesicht, ohne auch nur an so etwas wie eine Entschuldigung an Becker zu denken, widmete er sich seinem Teller. Der Infanteriehauptmann hatte sich erkennbar beruhigt, doch in Dahms' Gesicht stand weiterhin tiefe, unberührte Abscheu.
Rheinberg nahm sich vor, das im Auge zu behalten.
Das Gespräch ebbte ab und drehte sich um andere Dinge, alle weitaus weniger dazu geeignet, einen Streit heraufzubeschwören. Schließlich löste der Kapitän die Tafel auf. Becker, Neumann und Rheinberg fanden sich eine halbe Stunde später auf dem Vorderdeck, nahe dem Bug, wieder. Die See war ruhig und die Abendluft kühl, aber nicht schneidend. Alle drei Männer pafften an Zigarren aus dem Vorrat des Kapitäns, die dieser freigiebig verteilt hatte. Für einige Minuten blickten die drei Offiziere sinnierend in die sternenklare Nacht, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.
Becker räusperte sich.
»Ich möchte Ihnen danken, Herr
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