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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
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allgemein größeren Helligkeit feststellen konnte, die Sonne selbst war nicht einmal als diffuser Leuchtkörper zu erkennen –, stieß die Saarbrücken aus dem Nebel heraus auf eine absolut spiegelglatte Wasserfläche in hellem Sonnenschein und unter blauem Himmel vor. Die Außentemperatur, eben noch bei kühlen 3 Grad, stieg innerhalb von zehn Minuten auf etwas über 20 Grad, der Himmel war wolkenfrei und die Divisionschefs mussten den Männern erlauben, Mäntel und Jacken auszuziehen, da alle gewaltig ins Schwitzen gerieten.
Und die Küste war nicht zu sehen! Obgleich von Krautz, sobald sich der Nebel gelichtet hatte, wieder halbe Fahrt befahl und das dumpfe Vibrieren der mächtigen Expansionsmaschine das ganze Schiff erzittern ließ, war weit und breit nichts vom Land zu erblicken. Das war auch der Grund dafür, dass Rheinberg und der Kapitän seit Minuten ununterbrochen die Ferngläser an den Augen hatten, während die Saarbrücken sich mit sanfter Bugwelle durch die absolut unbewegte Wasserfläche vorwärtsbewegte. Sie lag auf Kurs, daran bestand kein Zweifel. Die See war die letzten Tage nicht allzu wild gewesen, ein wenig böiger Wind hatte vorgeherrscht, alles in allem akzeptable Wetterbedingungen. Nichts war geschehen, das den Kreuzer massiv vom Kurs hätte abbringen müssen.
Und doch, und doch …
»Das ist schon etwas seltsam«, murmelte Becker und versuchte, nicht allzu unruhig zu wirken. Hilfesuchend warf er einen Blick auf Rheinberg und von Krautz. Steuermannsmaat Börsen wirkte ebenso verwirrt wie Becker, und als sich ihre Blicke trafen, deutete der Mann ein Schulterzucken an. Wenn selbst der erfahrene Steuermann, der schon alle Meere der Welt befahren hatte, irritiert wirkte, trug dies nicht wesentlich zur Beruhigung Beckers bei.
Beckers Unwohlsein entsprang keinesfalls mangelndem Vertrauen in die nautischen Fähigkeiten seiner Kameraden. Er schätzte, soweit er dies beurteilen konnte, Rheinberg und von Krautz als erfahrene Seeleute, die ihr Handwerk verstanden. Es war die Unsicherheit und das Unverständnis in den Gesichtern all der erfahrenen Seebären, die ihn beeinflusste. Er wusste noch viel weniger als diese, was los war, und sie hatten offenbar außer Spekulationen auch nichts anzubieten.
»Eine zweite Nebelbank voraus«, meldete nun Rheinberg. Der Kapitän senkte sein Glas und nickte. Becker kniff die Augen zusammen und starrte in die angegebene Richtung. Rheinberg hatte richtig beobachtet, auch mit dem unbewaffneten Auge konnte der Infanterist eine feine, weißliche Dunstlinie ausmachen, die rasch größer wurde.
»Kleine Fahrt!«, befahl der Erste Offizier nun und der Befehl wurde wiederholt und ausgeführt. Die Vibration der Maschinen ließ nach und die Vorwärtsbewegung der Saarbrücken wurde sofort langsamer.
»Mir ist all das ein Rätsel«, wisperte Rheinberg nun und setzte das Glas ebenfalls ab. Die sich nähernde Nebelbank war deutlich erkennbar und dort, wo noch eben helles Sonnenlicht auf stiller Wasserfläche geschimmert hatte, bezog es sich ebenfalls und die Sichtweite wurde mehr und mehr eingeschränkt.
»Das Nebelhorn, alle dreißig Sekunden!«, befahl von Krautz. »Wir müssen da durch und auf Kurs bleiben, sonst werden wir aus dieser … Situation niemals herauskommen.« Schweigende Zustimmung auf der Brücke, auf der nun, als sich der Kreuzer erneut in den Nebel schob, selbst die Meldungen so klangen, als wären die Münder der Soldaten in Watte gepackt. Ein seltsamer Druck lastete auf Beckers Kopf und er schüttelte unwillkürlich den Schädel, als könne er ihn dadurch beseitigen, doch je tiefer die Saarbrücken in die Nebelbank einfuhr, desto belastender wurde das Gefühl. Ein Blick in die Runde bestätigte ihm, dass er damit nicht alleine war. Langsam wurde der Druck zum Schmerz. Als Börsen einen leisen Wehlaut ausstieß und sich plötzlich am Steuerruder festklammerte, als durch Beckers Kopf ein scharfer Schmerz fuhr, er zu taumeln begann und dabei direkt in Rheinbergs fallenden Körper stolperte, war sein letzter klarer Gedanke, dass hier mehr am Werk war als nur der Nebel.
Zu weiteren Gedanken hatte er keine Gelegenheit. Dunkelheit und Benommenheit nahmen ihm sowohl Schmerz als auch Bewusstsein, und er sackte in einer letzten, halb kontrollierten Bewegung neben Rheinberg zu Boden, ehe es vollends schwarz um ihn wurde.
Stille senkte sich über die Saarbrücken, als sie führerlos mit kleiner Fahrt durch die Nebelbank glitt.

    *
    Marcus Necius schaute gedankenverloren

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