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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
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seines Vaters nicht kannte, es sich am Heck in der Sonne gemütlich gemacht hatte und hin und wieder mit den nackten Zehen wackelte. Neben ihm lag ein bereits halb leerer Schlauch mit verdünntem Wein und aus dem Weidenkorb ragend war der schon stark zernagte Laib Brot zu erkennen, den Emilia ihren Männern am Morgen eingepackt hatte. Sie verdiente sich ein kleines Zubrot, indem sie für einen kleinen Stand an der Straße Brot buk. Eines aber war immer für ihre Männer. Wenn sie am frühen Morgen in See stachen, sah Marcus jedes Mal die stumme Sorge in ihren Augen, denn oft genug kehrten Fischer nicht mehr an Land zurück. Sie wurden ein Opfer der Wellen – oder der Seemonster, über die sich die Gerüchte hartnäckig hielten. Und gnädige Nixen, die die Fischersleute beschützten, von denen hatte sich jedenfalls zu Marcus' Zeiten noch keine blicken lassen.
Es gab sie natürlich. Daran hegte der Mann keine Zweifel. Wie alle Seefahrer war er abergläubig bis in die Knochen. Es war der Glaube an die Wesen des Meeres, die guten wie die missgünstigen, die ihn jeden Morgen erneut das Wagnis kalkulieren ließen, mit seinem Boot in See zu stechen.
Doch derzeit schien es keine Gefahren zu geben. Ja, es war sogar zu ruhig, denn die See lag sehr still und das Boot hatte in den letzten Minuten an Fahrt verloren. Das Segel hing nun schlaff am einzigen Mast. Marcus runzelte die Stirn. Ein Schleppnetz nützte ihm nicht viel, wenn er es nicht schleppen konnte. Er warf einen prüfenden Blick auf den nunmehr wolkenlosen Himmel, von dem die Sonne zunehmend gnadenlos hinabbrannte. Die Alternative hieß Rudern, und das war nicht nur mühselig und schweißtreibend, es war zudem gefährlich, denn verausgabten sie sich bei diesem Wetter zu sehr und hielt die Flaute an, mochten sie zu schwach sein, in den Hafen zurückzukehren.
»Marcellus!«
Der Junge schreckte aus seinen Tagträumen hoch und sah seinen Vater schuldbewusst an. Beinahe automatisch tastete er nach den Knoten, mit denen das Schleppnetz am Bootsheck festgemacht war, und fand sie fest und unversehrt. Spürbare Erleichterung fuhr über seine Züge und er entspannte sich.
»Ja, Vater?«
»Der Wind.«
Marcellus warf einen prüfenden Blick auf das Segel und nickte. Dies war sein drittes Jahr auf See und er kannte sich fast so gut aus wie sein Vater, zumindest behauptete er das. Die Aussicht auf eine anstrengende Ruderpartie ließ sich aber auch für das ungeübte Auge erkennen; die mangelnde Begeisterung darüber war dem gequält wirkenden Gesichtsausdruck des Jungen nur zu deutlich anzusehen. Er richtete sich auf seiner Bank auf und spähte hinter sich ins Wasser, doch das Netz lag tief und es war nicht auszumachen, ob und wie weit es bereits gefüllt war.
Dann blickte er hoch und kniff die Augen zusammen. Wirkte er überrascht?
Der Junge hatte bessere Augen als sein Vater, das wollte Marcus jederzeit zugeben, und so rückte dieser heran und legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter.
»Was?«
Piraten waren nicht selten hier – die Macht der Imperialen Flotte hatte in den letzten Jahren deutlich nachgelassen und allein die Getreideschiffe aus dem nördlichen Afrika verfügten noch über nennenswerten Begleitschutz. Kleine Fischerboote waren normalerweise nicht die bevorzugte Beute der Briganten, aber man konnte nie wissen.
Marcus folgte dem Blick seines Sohnes und konnte am Horizont einen winzigen, schwarzen Punkt ausmachen, wenngleich nur verschwommen.
»Eine Galeere?«
Marcellus schüttelte den Kopf.
»Von der Größe könnte es schon passen, wenn es ein Getreideschiff ist … aber … nein, ich sehe keine Ruder, und rudern müssten sie bei dieser Flaute.«
»Es kommt näher?«
»Ja. Und es scheint zu brennen. Jedenfalls steigt Rauch in den Himmel.«
»Ein Feuer?«
Marcus' Interesse war geweckt. Ein Handelsschiff mit Problemen konnte Hilfe gebrauchen und die Kapitäne zeigten sich erfahrungsgemäß dankbar dafür – oft mit klingender Münze. Was das Hinrudern nachträglich versüßen würde, wäre ein Beutel mit Münzen und dann eine Reise im Schlepptau einer Galeere, ohne weitere Anstrengung, und das alles für ein wenig Hilfe. Es wäre nicht das erste Mal in Marcus' Seefahrerleben, dass derlei passierte.
»Ich kann es nicht genau erkennen, Vater. Jedenfalls kommt es auf uns zu!«
»Hol das Netz ein!«, ordnete Marcus an. Sein Sohn machte sich ohne weiteres Vertun an die Arbeit, und binnen weniger Minuten lag das Netz im Inneren des Einmasters. Die Ausbeute war kläglich

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