Die Ankunft
Wir werden erst mal sehr vorsichtig und sparsam sein müssen. Die technischen Probleme sind endlos. Stahl werden wir in den notwendigen Mengen kaum herstellen können, wir müssen auf minderwertigere Metalle oder Legierungen zurückgreifen. Die Konsequenz für uns ist daher recht eindeutig.«
Rheinberg setzte aus, seufzte, blickte in seine Kaffeetasse und seufzte wieder.
»Kaffee, meine Herren, sollten wir ebenfalls rationieren, er war im Römischen Reich völlig unbekannt.«
Ein unterdrücktes »Verdammt!« machte die Runde am Tisch. Für manche der Männer war dies ohne Zweifel schwerer zu verkraften als ein Mangel an Schmierstoffen. Rheinberg beschloss, die Mannschaft bis auf Weiteres davon in Unkenntnis zu lassen, dass das hiesige Bier kaum den Qualitätsvorstellungen der Deutschen entsprechen dürfte und Branntwein weitgehend unbekannt war.
Rheinberg legte die Hände flach auf die polierte Ebenholzoberfläche.
»Entweder wir versuchen uns, solange es geht, irgendwie durchzuschlagen und dann die Saarbrücken eines Tages aufzugeben. Wir werden die Mannschaft nicht zusammenhalten können, unsere technologische Basis wird verloren gehen und letztendlich wird dies jeder an Bord alleine bewältigen müssen.«
Ein Blick in die Gesichter zeigte, dass diese Alternative auf wenig Begeisterung stieß.
»Oder wir arrangieren uns mit dem Römischen Reich, werden Teil und Hilfe des imperialen Staates, können die Ressourcen des Imperiums nutzen, um unsere Kenntnisse zu übertragen und eine Basis zu schaffen, die das Schiff so lange wie möglich auf vielleicht auch nur niedrigem Niveau funktionstüchtig hält. Wir können die Mannschaft zusammenhalten und eine Macht etablieren, jedoch nicht gegen das Imperium, sondern für und mit ihm. So haben wir eine Chance auf Überleben – und auf ein sinnvolles Überleben, das unsere Möglichkeiten und Potenziale effektiv und effizient ausnutzt.«
Die Gesichter hellten sich auf. Lediglich von Klasewitz wirkte verstört. Rheinberg sah ihn auffordernd an.
»Mit Verlaub, Herr Kapitän«, sagte dieser ölig. »Aber wir sind Deutsche! Wenn es nun wirklich so ist, dass wir hier verschollen sind, sollten wir dann nicht in die Heimat aufbrechen und den Unseren, den Germanen, die Dienste der Saarbrücken anbieten?«
»Die Frage ist in der Tat berechtigt«, erwiderte Rheinberg zu von Klasewitz' erkennbarem Erstaunen. »Doch wem wollen wir das Schiff denn zur Verfügung stellen? Franken? Alemannen? Burgundern? Vandalen? Tervingern? Greuthungern? Oder einem der zahllosen kleineren Stämme? In dem Gebiet von Wilhelmshaven regieren die Friesen, wenn ich mich nicht irre. Und dann führen wir Krieg gegen die Germanen, die in Roms Diensten stehen? Gegen die zahlreichen germanischen Generäle und germanischen Legionäre? Und welche technologische Basis erwarten Sie von unseren Vorfahren, Herr Korvettenkapitän? Von welchem Stand reden wir hier? Welcher große germanische Hafen exakt soll die Heimat der Saarbrücken sein?«
Von Klasewitz sagte nichts, kniff die Lippen zusammen, wurde abwechselnd rot und bleich, als Rheinberg in betonter Ruhe und Gleichmäßigkeit seine Fragen auf ihn abfeuerte.
»Nein, das ist absurd. Es ist sinnlos. Wir würden untergehen. Das Schiff wäre binnen Kurzem ein Wrack. Wir würden es nicht mal dorthin schaffen, bevor unsere Vorräte zur Neige gehen. Die Germanen dieser Zeit – die Germanen außerhalb der Grenzen des Römischen Reiches, meine ich! – haben uns nichts anzubieten. Im Gegenteil. Wir werden sie möglicherweise bekämpfen müssen.«
»Bekämpfen?«, echote Becker.
»Ja. Es ist die Zeit der Völkerwanderung. Wenn wir überleben wollen, muss das Römische Reich überleben. Also müssen wir dem Reich helfen, und das heißt, dass wir kämpfen müssen.«
»Eine Frage wurde damit noch gar nicht geklärt«, sagte nun Neumann. »Was ist denn mit unseren Bemühungen, in unsere eigene Zeit zurückzukehren?«
Beifälliges Kopfnicken allenthalben, und dann richteten sich die Blicke auffordernd auf Rheinberg.
Er hob die Hände in einer Geste der Verzweiflung.
»Ich bin dafür. Aber wie sollen wir das schaffen?«
»Fahren wir exakt den gleichen Weg zurück, den wir gekommen sind«, schlug Becker vor.
»Das haben wir bereits getan, als ich Befehl gab, die Entfernung zur Küste zu vergrößern. Genau können wir das nicht wissen, da wir bewusstlos waren, wir kreuzen jetzt allerdings seit Stunden hier in den Gewässern und das Wetter hat sich normalisiert, keine Nebelbänke,
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