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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Sampson
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duftet gut. Obwohl du mir eher nicht der Parfümtyp zu sein scheinst. Riecht aber nett.«
    Sie schloss die Augen und stand einen Augenblick reglos da. » Emily hat es mir geschenkt«, sagte sie leise. » Sie hat es immer getragen. Es erinnert mich an sie.« Sie räusperte sich und fügte hinzu: » Außerdem kann ich mich damit übergießen, wenn ich nach dem Sport keine Zeit zum Duschen habe.«
    Ich lächelte betreten. Ich hatte beinahe vergessen, dass es erst eine gute Woche her war, dass Mais beste Freundin ermordet worden war. Ich hätte sie in Ruhe lassen sollen. Aber ich brauchte Gewissheit. Mein Blick ging noch einmal hinüber zu meinem Tisch. Spencer war noch immer nicht da. Ich musste einen Weg finden, um Mai am Gehen zu hindern. » Das mit Emily tut mir leid«, sagte ich. » Ich kannte sie nicht wirklich, aber ich habe ihre Kunstwerke und Geschichten gesehen, nachdem sie …« Ich schluckte. » Sie scheint echt talentiert gewesen zu sein. Und ein wirklich guter Mensch.«
    Mai setzte sich und ließ die Tasche fallen. Ihre Lippen bebten, und ihre Augen glitzerten und wurden feucht. Sie weinte jedoch nicht. » Das war sie wirklich«, sagte Mai schließlich. Kopfschüttelnd sah sie zur Decke empor. » Ich möchte nicht einmal hier sein. Ich hasse es, hier zu sein, wenn sie es nicht kann, verstehst du? Wenn ich zum Mittagessen gehe, erwarte ich immer noch, sie dort zu sehen, aber dann ist sie nicht da, und ich kann nichts essen. Weil sie auch nichts essen kann, nie mehr wieder.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Das Letzte, was ich gewollt hatte, als ich herübergekommen war, war Mais Erinnerungen auf diese Art wieder hochkommen zu lassen.
    Grob wischte sie sich eine Träne aus dem Gesicht, als wäre sie auf sich selbst wütend, weil sie ihr gekommen war. Währenddessen stand sie auf und schulterte ihre Tasche. » Tut mir leid, ich wollte niemandem etwas vorheulen, den ich kaum kenne. Ich überlasse dich jetzt wieder deinem Buch.« Sie begann wegzugehen.
    Ich sprang auf und sagte so laut, wie ich glaubte, ungestraft damit davonzukommen: » Mai, warte.«
    Sie drehte sich um und starrte mich fragend an.
    » Ähm«, sagte ich. » Sieh mal, ich bin für dich da, wenn du dich aussprechen willst. Über jegliche … Veränderungen, die du seit der letzten Woche vielleicht durchmachen musstest.«
    Sie blinzelte. » Veränderungen?«
    Ich nickte. » Du weißt schon … persönliche Veränderungen. Ich habe das auch durchgemacht.«
    Ihr Blick landete auf dem Buch, vor dem ich gesessen hatte – auf der farbenfrohen, grafischen Darstellung des weiblichen Fortpflanzungsorgans, das den Großteil der Seite einnahm. Ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln. » Danke für das Angebot«, sagte sie, » aber ich denke, über diese Veränderungen weiß ich schon Bescheid.« Kopfschüttelnd, und trotz ihres Kummers ein paar Minuten zuvor belustigt, verließ sie die Bibliothek.
    Ich suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, die Antworten zu bekommen, die ich brauchte. Und entdeckte Spencer, der am Tisch der Bibliothekarin lehnte und versuchte, ein lockeres Gespräch mit der gereizt aussehenden Ms Levine zu führen. Als er mich endlich ansah, winkte ich ihn verzweifelt heran.
    » Was ist los?«, flüsterte er, als er zu mir herüberkam. » Hast du irgendetwas Brauchbares über die Schattenmänner gefunden?«
    » Nein«, flüsterte auch ich. » Mai Sato war hier. Sie ist gerade gegangen.«
    Spencer blickte zwischen mir und dem Ausgang hin und her. » Soll ich ihr hinterherlaufen?«
    » Ähm, nein. Ich möchte sie nicht noch mehr in den Wahnsinn treiben, als ich das schon getan habe. Schnüffle einfach ein bisschen hier herum. Was riechst du?«
    Beide Hände auf die Tischplatte gestützt, lehnte sich Spencer nach vorn und atmete ein. » Da ist wieder dieses Parfüm«, sagte er. » Von einer Wölfin rieche ich hier nichts, also … Hey, warum liest du etwas über weibliche Geschlechtsteile?«
    Ich schlug das Buch zu. » Du kennst mich ja, stets interessiert am Lebenszyklus«, entgegnete ich. » So, das war’s dann wohl? Wenn du das andere Werwolfmädchen nicht riechst …«
    Spencer grinste und legte mir einen Arm um die Schulter. Sein besonderer Duft umfing mich und vermischte sich mit Mais Parfüm, das noch in der Luft hing.
    » Vielleicht hat sich ihr Geruch nur verflüchtigt«, meinte er. » Keine Sorge, Em Dub. Ob es nun Mai oder jemand anderes ist, wir finden sie.«
    Ich schaute in seine liebenswürdigen braunen Augen. »

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