Die Ankunft
Ich war genauso schlau wie zuvor. Schon wieder. Ich klappte das Buch, das ich gerade gelesen hatte, zu und schob es weg.
Spencer neben mir hatte vier Bücher aufgeklappt, schaute jedoch in keines davon. Stattdessen starrte er, auf seine Ellbogen gestützt, in die Luft.
Dalton las mit vor Konzentration gefurchter Stirn in seinem eigenen Buch. » Wir sind uns also sicher, dass es sich nicht um Geister handelt?«, fragte er.
» Keine Ahnung«, murmelte ich.
» In einem meiner Bücher steht etwas über Entführung durch Außerirdische«, flüsterte Dalton, wieder ganz bei der Sache. » Das wäre auch noch immer eine Möglichkeit.«
» Anzunehmen«, sagte ich.
Besorgt rückte er näher. » Du siehst nicht gerade begeistert aus.«
» Bin ich auch nicht.« Ich lümmelte mich in meinen Stuhl und verschränkte die Arme. » Im Fernsehen ist es immer so einfach, ein Buch im, sagen wir mal, Keller der Bibliothek zu finden, in dem alle Antworten bis ins Detail drinstehen. Man muss nur einen Briten mittleren Alters mit Interesse für alte Überlieferungen finden und peng – Problem gelöst. Das hier sind nur Mythensammlungen. Die bringen uns rein gar nichts.«
» Hat unsere Bibliothek so etwas?«, fragte Dalton.
» Hä?«
» Hat sie einen Keller?«
Ich unterdrückte ein Lachen. » Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Art von Bibliotheken lediglich in den Kleinstädten Neuenglands oder so existieren. Außer Ms Levine besitzt hier irgendeinen geheimen Schlupfwinkel.«
» Oh.« Er nickte. » Verstanden.« Er warf einen Blick nach hinten auf die Bibliothekarin, die wieder auf ihrem Platz saß. Sie lächelte und winkte ihm zu, woraufhin er sich schleunigst wieder umdrehte.
Ein Schatten fiel auf den Tisch. Schnaubend stieß ich mich vom Tisch ab und war – Ms Levine hin oder her – kurz davor, meinen Stuhl umzuwerfen und davonzulaufen. Wenn die Schattenmänner hier waren … Als ich jedoch den Kopf hob, um mich zu vergewissern, sah ich, dass dies, Gott sei Dank, ein ganz normaler Schatten war. Da stand Megan, neben sich den hochgewachsenen, grüblerischen Patrick mit seinem dunklen Haar, britischen Akzent und mysteriösen Blick. Ich erinnerte mich an das peinliche Gespräch, das wir in einem kleinen Lebensmittelladen geführt hatten, als ich noch dachte, er wäre möglicherweise der Werwolf, als der sich später Spencer entpuppte. Und daran, wie ich ihn halb nackt durch sein Schlafzimmerfenster beobachtet hatte, als ich dachte, er wäre der Killer. Wie sich herausstellte, war er keines von beiden. Meine Wangen begannen zu glühen. Ich hoffte, dass er sich nicht an mich erinnerte.
» Hey, Emily«, sagte Megan beiläufig. » Und Freunde.«
Spencer grinste sie an. » Hey!«
» Hi«, sagte ich und schlug das Buch zu. » Was machst du hier?«
Sie zuckte mit den Schultern. » Patrick und ich recherchieren gerade etwas für eine Hausaufgabe, die uns Mr Philbrick aufgegeben hat.«
» Ja«, stimmte Patrick zu.
Ich nickte bedächtig. » Oh. Wie nett.«
Die Situation war mit einem Schlag einerseits viel zu locker, andererseits viel zu verkrampft. Gerade kollidierten meine zwei Welten miteinander. Ich wollte mich in mein Kapuzenshirt verkriechen, bis ich darin verschwunden war.
Megan verschränkte die Arme und deutete mit dem Kinn auf die Bücher. » Was macht ihr drei da? Geheimprojekte?«
» Wir recherchieren nur etwas«, sagte Dalton. » Obwohl wir uns auch über die morgige Party unterhalten sollten. Du bist Megan, stimmt’s?« Er reichte ihr die Hand.
Megan sah Dalton von oben bis unten an und hielt ihm schließlich schlaff ihre eigene Hand hin. Dalton ergriff sie trotzdem.
» Eine Party, hä?«, entgegnete Megan. » Wie witzig.«
» Möchtest du kommen?«, fragte Spencer.
Ich richtete mich im Stuhl auf. Was machten die beiden da? Wussten sie etwa nicht, was Verschwiegenheit bedeutete? Wir wollten doch das Büro von Daltons Vater durchforsten; wir wollten nicht wirklich eine Party feiern.
» Nein«, sagte ich. » Megan hasst Partys. Viel zu viele Leute für …«
» Ich komme gern.« Megan hakte sich bei Patrick unter. Er musterte sie mit gelangweilter Miene. » Und Patrick auch. Ach ja, wisst ihr was? Ich kann noch was für euch tun: Ich organisiere euch eine Band.«
Jetzt wurde Dalton munter. » Eine Band? Cool. Irgendjemand, den ich kenne?«
» Noch nicht!« Beängstigend lebhaft machte Megan einen Satz nach vorn, schnappte sich ein Stück Papier aus einem unserer Schulhefte, holte einen Stift hervor und
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