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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Sampson
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zurückwich.
    » Hoppla! Das hätte beinahe einen kleinen Blechschaden gegeben.«
    Es war Tracie, in einer blauen Bluse und hellbraunen Stoffhose. Ja, Stoffhose. Während ich sie angaffte, zog sie die Augenbrauen hoch und schürzte die Lippen.
    » Ich möchte ja nicht unhöflich sein, aber könntest du bitte den Eingang frei machen?«, fragte sie mich. » Ich muss die hier abgeben.« Sie hielt mir einen Stapel Papiere entgegen, Anmeldebogen für irgendeinen Klub.
    Ich konnte mich nicht von der Stelle rühren, schaute sie einfach nur von oben bis unten an. Da war keine Knitterfalte in ihrer Kleidung und keine Sorgenfalte auf ihrer Stirn. Was für einen Werwolfgeruch sie auch hatte, ich konnte ihn aus irgendeinem Grund nicht riechen. Ich nahm jedoch deutlich den Duft irgendeines blumigen Parfüms wahr.
    Sie blinzelte mich an. » Nun?«
    Ich trat beiseite, außerstande, mir die passenden Worte einfallen zu lassen.
    Im Vorbeigehen schenkte sie mir ein obligatorisches Lächeln.
    Ich drehte mich um. » Tracie, warte.«
    Sie seufzte und drehte sich zu mir um. » Ja?«
    Ich schluckte. Ich hoffte inständig, dass Tracie der letzte Werwolf war, denn dieser Teil – die Bezichtigung, eine mystische Bestie zu sein – war irgendwie heikel.
    Ich hielt es für das Beste, kurz und schmerzlos vorzugehen, darum kam ich ihr ganz nah und flüsterte: » Tracie, ich weiß, was du bist.«
    Sie wurde stocksteif. Das Papier bekam Knitterfalten, als sie die Hände zu Fäusten ballte. Sie schaute mich mit großen Augen an. Durch zusammengebissene Zähne fragte sie: » Was genau weißt du?«
    Beschwichtigend hob ich die Hände. » Keine Sorge«, raunte ich. » Es ist alles in Ordnung. Ich bin auch einer. Genauso wie Spencer Holt und Dalton McKinney. Wir haben die ganze Woche über nach dir gesucht.« Ich sah sie an und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Finde deine Gefährten, hatte mir eine Stimme in meinem Inneren gesagt. Führe sie zusammen. Und da war sie nun, ein weiteres Mitglied meines Rudels. Meiner Familie. Ich kannte sie überhaupt nicht und hatte noch nie ein Wort mit ihr gewechselt, bevor wir uns im Korridor begegnet waren. Doch wenn ich in ihre braunen Augen sah, war es, als würde ich mich selbst sehen, einen weiteren Teil von mir, von dem mir bis eben nicht einmal bewusst war, dass ich ihn vermisst hatte. Ich spürte einen Stich in der Brust.
    Offensichtlich teilte sie meine Empfindungen nicht.
    » Und wofür genau hältst du mich?«, fragte sie.
    Ich packte sie sanft am Arm und zog sie von der Bürotür und neugierigen Zuhörern weg. Dabei ließ ich sie nicht aus den Augen. Als wir weit genug weg waren, dass ich sicher sein konnte, dass niemand, und besonders nicht Mr Savage, etwas hörte, holte ich Luft. Und sprach das Wort mit gedämpfter Stimme aus: » Werwolf.«
    Das Wort schien im leeren Korridor widerzuhallen. Einen Augenblick lang stand Tracie ganz reglos und mit versteinerter Miene da. Dann begann ihre Unterlippe zu beben. » Das hier ist nicht real«, sagte sie und wandte den Blick ab. » Nein, das was hier gerade mit mir geschieht, ist nicht real.« Sie versuchte, an mir vorbeizugehen, aber ich stellte mich ihr in den Weg und hob die Hände, um sie am Weitergehen zu hindern.
    » Nein, Tracie, hör mir zu. Das ist real. Du bist nicht verrückt geworden. Mir ging es genauso wie dir jetzt. Aber du musst das nicht alleine durchstehen. Ich und Spencer und Dalton, wir versuchen herauszufinden, warum all dies geschieht.«
    Tracie schüttelte den Kopf und ging auf Distanz. » Bitte, lass mich in Ruhe«, sagte sie. » Lass mich einfach in Ruhe.« Nachdem sie das gesagt hatte, machte sie auf dem Absatz kehrt und ging schnurstracks durch den Haupteingang aus dem Schulgebäude hinaus. Ihre Papiere hielt sie noch immer fest umklammert.
    Ich zwängte mich durch die Glastür und sprintete hinter ihr her. Mein Rucksack schlug mir gegen die Schultern, während ich versuchte, sie einzuholen.
    Tracie eilte den Fußweg entlang, die Augen nach vorn gerichtet.
    » Wo willst du hin?«, fragte ich, als ich sie eingeholt hatte.
    » Sie sah mich nicht an. » Nach Hause.«
    » Und deine Sachen?«, fragte ich. » Deine Tasche, dein Rucksack, dein Mantel?«
    Sie blieb stehen und würdigte mich endlich eines Blickes. » Ich hatte dich gebeten, mich in Ruhe zu lassen.«
    Ich schüttelte den Kopf. » Das kann ich nicht, Tracie. Du bist eine von uns. So wie Emily Cooke. Sie musste sterben, weil es da draußen Leute gibt, die uns wehtun wollen.

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