Die Anstalt
mit einem dieser Fälle zu tun?«
»Das sehn Sie richtig, Lady«, sagte Harris. »Kann ich jetzt gehen?«
»Ja«, sagte Lucy, um in dem Moment, als Harris aufstehen wollte, hinzuzufügen: »Sobald Sie mir erklärt haben, wieso ein anderer Patient uns erzählt, Sie hätten sich gebrüstet, diese Morde begangen zu haben.«
»Was?«, sagte Harris und seine Stimme klang augenblicklich eine Oktave höher. »Jemand sagt, ich hätte was?«
»Sie haben mich schon verstanden. Erklären Sie mir also bitte schön, wieso Sie in Ihrem Wohnheim – Williams, nicht wahr? –, warum Sie dort damit prahlen.«
»Ich hab so was nich’ gesagt! Sie müssen total verrückt sein!«
»Das hier ist ein verrückter Ort«, sagte Lucy betont. »Sagen Sie mir, wieso.«
»Hab ich nich’ gesagt. Wer behauptet so was?«
»Ich bin nicht befugt, die Informationsquelle zu nennen.«
»Wer?«
»Sie haben offenbar Dinge behauptet, die in dem Wohnheim, in dem Sie leben, gehört wurden. Sie waren indiskret, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Ich möchte, dass Sie mir das erklären.«
»Wann hat …«
Lucy lächelte. »Noch nicht lange her. Diese Information haben wir erst kürzlich erhalten. Sie bestreiten also, so etwas gesagt zu haben?«
»Ja! Das ist verrückt! Wieso sollte ich mich mit so was brüsten? Ich hab keine Ahnung, was das Ganze soll, Lady, aber bis jetzt hab ich noch keinen umgelegt. Das ist doch beknackt, macht doch keinen Sinn …«
»Und Sie meinen, alles hier drinnen müsste Sinn ergeben?«
»Irgendwer lügt Sie an. Und irgendwer will, dass ich auf die Nase falle.«
Lucy nickte langsam. »Ich werde das in Betracht ziehen«, sagte sie. »In Ordnung. Sie können gehen. Allerdings müssen wir uns vielleicht noch mal unterhalten.«
Harris sprang wie von der Tarantel gestochen von seinem Stuhl auf und trat einen Schritt auf Lucy zu, was Big Black veranlasste, sich aus seiner Ecke herauszuwinden. Als das Federgewicht dies bemerkte, blieb er stehen. »Verdammter Mistkerl«, sagte er. Und dann machte er auf dem Absatz kehrt und verließ, nicht ohne seine Kippe mit dem Absatz auszutreten, den Raum.
Evans hatte einen hochroten Kopf. »Haben Sie auch nur die geringste Ahnung, in was für Probleme Sie uns mit diesen Fragen bringen können?«, fragte er schroff. Er zeigte auf die Akte und pochte mit dem Finger auf Harris’ Diagnose. »Sehen Sie, was da steht, genau da. Explosiv. Zornbewältigungsprobleme. Und Sie provozieren ihn mit einem Haufen völlig abwegiger Fragen, von denen Sie genau wissen, dass sie ihn nur in Rage bringen können. Ich wette, Harris landet, bevor der Tag zu Ende ist, in einer Isolierzelle, und ich bin dafür verantwortlich, dass er sediert wird. Verdammt! Das war einfach verantwortungslos, Miss Jones. Und falls Sie vorhaben, mit Fragen fortzufahren, die in den Stationen nur für ein heilloses Durcheinander sorgen können, dann sehe ich mich gezwungen, darüber mit Dr. Gulptilil zu reden!«
»Tut mir leid«, sagte Lucy. »War wohl gedankenlos von mir. Bei den nächsten Befragungen werde ich umsichtiger vorgehen.«
»Ich brauche eine Pause«, sagte Evans, erhob sich ärgerlich und stürmte aus dem Zimmer.
Lucy dagegen überkam ein Gefühl der Befriedigung.
Auch sie stand auf und ging in den Flur. Peter wartete bereits mit einem mühsam beherrschten Grinsen, als hätte er alles verstanden, was in seiner Abwesenheit vorgefallen war. Mit einer kleinen Verneigung gab er ihr zu verstehen, dass er genug gesehen und gehört hatte und den Trick bewunderte. Doch er hatte keine Gelegenheit, etwas zu ihr zu sagen, da in diesem Moment Big Black hinter dem Gitter der Pflegestation hervortrat und einen Satz Handschellen und Fußfesseln in der Hand hielt. Das Rasseln der Ketten hallte durch den Flur. Mehr als ein Patient, der gerade in der Nähe herumschlenderte, sah den Pfleger und das, was er in Händen hielt, und wie aufgeschreckte Hühner stoben sie so schnell sie konnten aus dem Weg.
Peter dagegen blieb stocksteif stehen und wartete.
Wenige Meter entfernt stand Cleo auf, so dass ihr mächtiger Leib wie ein orkangepeitschtes Schiff hin und her wogte.
Lucy sah Big Black auf Peter zukommen, hörte, wie er eine Entschuldigung flüsterte und dann die Schellen um seine Hand-und Fußgelenke zuschnappen ließ. Sie hielt den Mund.
Doch als die letzte Fessel einrastete, brüllte Cleo laut: »Diese Arschlöcher! Diese verdammten Arschlöcher! Lass dir nicht gefallen, dass sie dich mitnehmen, Peter! Wir brauchen
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