Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
Ambitionen auf der Wunschliste der Kirche ganz oben standen. Das Einzige, was nicht so recht ins Bild passte, dachte Peter, war der polnische Name. Nicht irisch, was er interessant fand. Doch in dem Moment wurde ihm bewusst, dass er selbst irischer Katholik war so wie der Kardinal und der Sekretär des Kardinals, und so steckte eine verkappte Botschaft in dem Umstand, dass sie ihm jemanden von anderer ethnischer Herkunft vorsetzten. Er hätte nicht sagen können, welchen Vorteil die drei Priester daraus zu ziehen hofften. Er nahm an, dass er das über kurz oder lang erfahren würde.
    »Also, Peter«, fing der Priester an, »… ist es Ihnen Recht, wenn ich Sie Peter nenne? Ich würde mich freuen, wenn dieses Treffen nicht allzu förmlich verlaufen müsste.«
    »Aber gern, Pater«, sagte Peter und nickte. Das war clever, dachte er. Jeder andere hier besaß die Autorität und den Status eines Erwachsenen. Er hatte nur einen Vornamen. Genauso hatte er es schon mit mehr als einem Brandstifter gemacht, den er zu befragen hatte.
    »Also, Peter«, fing der Priester noch einmal an, »Sie sind hier in der Klinik, um sich einer Beurteilung Ihres Geisteszustands zu unterziehen, und zwar gemäß Gerichtsbeschluss bei gleichzeitiger Aussetzung des Verfahrens gegen Sie, ist es nicht so?«
    »Ja. Die sollen rausbekommen, ob ich verrückt bin. Zu verrückt, um vor Gericht zu stehen.«
    »Das wird wohl daran liegen, dass viele, die Sie kennen, den Eindruck haben, dass das, was Sie getan haben, tja, was – sagen wir mal –, Ihnen wesensfremd war? Ist das eine faire Darstellung?«
    »Ein Feuerwehrmann, der einen Brand legt. Ein guter katholischer Junge, der eine Kirche niederbrennt. Sicher. ›Wesensfremd‹ geht klar.«
    »Und, sind Sie verrückt, Peter?«
    »Nein. Aber das würden wahrscheinlich die meisten hier auf die Frage antworten, so viel also zu meiner unmaßgeblichen Meinung.«
    »Und zu welchem Schluss ist Ihrer Meinung nach das Klinikpersonal bislang gekommen?«
    »Ich vermute mal, sie sind noch dabei, sich einen Eindruck zu verschaffen, Pater, neigen aber mehr oder weniger zu derselben Auffassung wie ich. Natürlich werden sie es in ein bisschen Fachjargon verpacken. Sie werden sagen, ich hätte Wut aufgestaut. Ich sei neurotisch. Zwanghaft. Vielleicht sogar asozial. Dabei hätte ich aber durchaus gewusst, was ich tat, womit erwiesen wäre, dass ich juristisch gesehen mehr oder weniger schuldfähig bin, richtig, Pater? Das haben sie Ihnen in der Juristischen Fakultät am BC zweifellos beigebracht?«
    Pater Grozdik lächelte und rutschte in seinem Sessel hin und her, bevor er humorlos antwortete: »Ja. Gut geraten, Peter. Oder haben Sie den Jahrgangsring gesehen?« Er hielt die Hand hoch und ließ einen großen goldenen Ring im Licht aufblitzen, das durchs Fenster hereinströmte. Peter wurde bewusst, dass der Priester sich so platziert hatte, dass der Kardinal seine Reaktionen auf die Fragen sehen konnte, ohne dass Peter sich zum Kardinal umdrehen und beobachten konnte, wie der den Schlagabtausch aufnahm.
    »Schon merkwürdig, Peter, nicht wahr?«, fragte Pater Grozdik in nach wie vor ausdruckslosem, kaltem Ton.
    »Merkwürdig, Pater?«
    »Vielleicht trifft ›merkwürdig‹ es nicht ganz, Peter. Vielleicht sollte ich besser von einer ›intellektuellen Herausforderung‹ sprechen, wenn ich an das Dilemma denke, in dem Sie stecken. Haben Sie sich intensiv mit Psychologie befasst, Peter? Oder mit Philosophie vielleicht?«
    »Nein. Ich hab Töten studiert. Bei der Armee. Wie man tötet und wie man Leute davor rettet, getötet zu werden. Und nach meiner Heimkehr hab ich Brände studiert. Wie man sie löscht. Und wie man sie legt. Erstaunlicherweise fand ich diese beiden Studiengänge nicht allzu verschieden voneinander.«
    Pater Grozdik lächelte und nickte. »Ja. Peter the Fireman. So werden Sie doch genannt, nicht wahr? Aber Ihnen ist zweifellos klar, dass eine Reihe von Aspekten Ihrer Situation keine einfachen Deutungen zulassen.«
    »Ja«, sagte Peter, »das ist mir klar.«
    Der Priester lehnte sich vor. »Denken Sie viel über das Böse nach, Peter?«
    »Das Böse, Pater?«
    »Ja. Das Wirken von Kräften in dieser Welt, die sich am adäquatesten mit dem Begriff des Bösen beschreiben lassen.«
    Peter zögerte und nickte dann. »Ja. Ich hab eine Menge Zeit damit zugebracht, darüber nachzudenken. Wenn man gewesen ist, wo ich war, kann man nicht umhin, zu bemerken, dass das Böse seinen Platz in der Welt hat.«
    »Ja.

Weitere Kostenlose Bücher