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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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dich!«
    Schlagartig herrschte Stille im Flur.
    »Zur Hölle mit denen«, heulte Cleo auf, »wir
brauchen
dich!«
    Lucy sah, dass Peters Gesicht verschlossen und all seine grinsende Sorglosigkeit verflogen war. Er hob die Hände, wie um zu testen, wie weit die Fesseln seine Bewegungsfreiheit einschränkten, und sie glaubte zu sehen, wie ihn eine gewaltige Agonie ergriff, bevor er sich umdrehte und sich von Big Black abführen ließ – ein wildes Tier, dem nicht zu trauen war.

21
    P eter bewegte sich vorsichtig und in dem charakteristisch hoppelnden Gang, den die Ketten zwischen den Hand-und Fußschellen erzwangen, an der Seite von Big Black den Krankenhausweg entlang. Den großen Pfleger schien dieser Auftrag in Verlegenheit zu bringen, und er schwieg. Er hatte sich einmal bei Peter entschuldigt, als sie aus dem Amherst-Gebäude traten, und von da an den Mund gehalten. Doch er ging schnell, wodurch sich Peter gezwungen sah, mitzuhalten und dabei den Kopf zu senken, die Augen auf den schwarzen Asphalt zu richten und sich auf seine Bewegungen zu konzentrieren, damit er nicht stolperte und fiel.
    Peter fühlte die warme Abendsonne im Nacken und schaffte es, ein paarmal kurz den Kopf zu heben, um die letzten Strahlen zu sehen, die noch einmal die Häuserzeilen streiften, bevor der Tag zu Ende ging. Es lag eine frische Brise in der Luft, eine vertraute Mahnung des Neu-England-Frühlings, sich nicht voreilig auf Sommertemperaturen einzustellen. An einigen Stellen glänzte der weiße Anstrich an den Fensterrahmen, so dass die vergitterten Scheiben wie Augen unter den langen Wimpern ihrer schweren Lider hervor seinen Gang über den Innenhof verfolgten. Die Handschellen an seinen Gelenken gruben sich ihm schmerzhaft ins Fleisch, und er merkte, dass die übersprudelnde Lebensfreude, die ihn bei seinem ersten heimlichen Ausflug in Begleitung der beiden Moses-Brüder auf der Suche nach dem Engel ergriffen hatte, die unbändige Freude, die ihn mit der Erinnerung an alle möglichen Düfte und anderen Sinneswahrnehmungen überflutet hatte, jetzt einem hoffnungslosen Gefühl von Gefangenschaft gewichen war. Er wusste nicht, zu was für einem Treffen er gebracht werden sollte, doch er nahm an, dass es wichtig war.
    Diese Vermutung erhärtete sich beim Anblick zweier schwarzer Cadillac-Limousinen, die in der halbkreisförmigen Auffahrt vor dem Verwaltungsgebäude parkten. Sie waren spiegelblank poliert.
    »Was geht hier vor?«, flüsterte Peter Big Black zu.
    Der Pfleger schüttelte den Kopf. »Sie haben mir nur gesagt, ich soll die Fesseln holen und Sie ganz schnell rüberbringen. Damit wissen Sie so viel wie ich.«
    »Also nichts«, sagte Peter, und der Große nickte.
    Er wankte hinter Big Black die Treppe hoch und schlurfte durch die Diele zu Gulptilils Büro hinüber. Miss Luscious wartete hinter ihrem Sekretärinnenschreibtisch, und Peter sah, dass ihr gewohnt grimmiges Gesicht einem unbehaglichen Ausdruck wich und dass sie ihre wie immer hautenge Bluse unter einer locker fallenden Strickjacke verbarg. »Schnell«, sagte sie. »Sie warten schon eine Weile.« Wer
sie
waren, verriet sie nicht.
    Die Ketten machten ihre eigene rasselnde Musik, als er weiterhastete und Big Black ihm die Tür aufhielt. Peter stolperte hinein.
    Als Ersten sah er Gulptilil hinter seinem Schreibtisch. Bei Peters Eintreten stand der Chefarzt auf. Wie gewöhnlich befand sich ein leerer Sessel vor dem Tisch. Es waren noch drei weitere Männer anwesend, die alle den schwarzen Anzug und weißen Kragen der Geistlichen trugen. Zwei der Männer sah Peter zum ersten Mal, doch das dritte Gesicht kannte jeder Katholik in Boston. Der Kardinal saß seitlich vom Schreibtisch genau in der Mitte einer Couch an der Wand. Er hatte die Beine übereinander geschlagen und schien entspannt. Einer der anderen Priester saß neben ihm und hielt eine braune Ledermappe und einen gelben Schreibblock in der einen Hand und in der anderen einen großen schwarzen Füllfederhalter, mit dem er nervös herumfuchtelte. Der dritte Priester saß direkt neben dem Chefarzt hinter seinem Schreibtisch. Er hatte einen Stapel Papiere vor sich liegen.
    »Ah, Mr. Moses, danke. Wenn Sie bitte so nett sind, Peter die Fesseln abzunehmen.«
    Der Pfleger brauchte einen Moment, bis er damit fertig war, dann trat er zurück und sah den Doktor fragend an, der ihn mit einer Handbewegung entließ. »Warten Sie doch bitte draußen auf uns, bis wir Sie rufen, Mr. Moses, ja? Ich bin zuversichtlich, dass wir

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