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Die Apothekerin

Die Apothekerin

Titel: Die Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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enthielten. Immer wieder tauchte der Satz auf: »Exitus nach Verabreichung von Königsberger Klopsen«. Anscheinend hatte er angeordnet, die schlecht schmeckende Arznei in einer gut gewürzten Fleischspeise zu verbergen. »Nach dieser
Entdeckung wurde Vater zum Vegetarier«, sagte Bob und sah mich erwartungsvoll an.
Ich bekam Herzrasen.
»Du hast von Großvater doch nur den Ledersessel geerbt«, sagte Bob. »Ich will Opas Pendeluhr nicht mehr im Haus haben. Wie ich dich kenne, würdest du sie nehmen?«
Ich nickte. Wahrscheinlich hatte meine Familie die Glasfläschchen längst vergessen. »Woran ist Großmutter eigentlich gestorben?« fragte ich unvermittelt.
»An einer Gürtelrose, glaube ich«, sagte Bob schnell, der meine finsteren Gedanken ahnte.
    Der nächste Besuch war Dorit mit den Kindern. Es war ein milder Tag, und die beiden Kleinen rannten im Garten herum und versuchten, Amseln zu fangen. Wir konnten sie vom Wintergarten aus im Auge behalten.
    »Hast du den Schock überwunden?« fragte meine Freundin.
    »Einigermaßen«, antwortete ich, »aber Levin ist verschwunden.«
»Wie bitte? So kurz nach der Hochzeit hat er sich aus dem Staub gemacht?« Dorit mochte es nicht glauben.
»Nein, so ist es wohl nicht. Er hat Freunde in Andalusien besucht, ist von dort aus nach Marokko gefahren und bisher nicht wieder aufgetaucht. Soll ich mir deswegen Sorgen machen?«
»Ich würde mich wahnsinnig aufregen, wenn es Gero wäre«, meinte Dorit. »Levin ist noch sein freies Studentenleben gewohnt; unverschämt ist es aber auf jeden Fall!«
»Dorit, meinst du, daß Levin ein verantwortungsvoller Vater wäre?«
»Das weiß man nie. Aber wer A sagt, muß auch B sagen - du hast ihn haben wollen!«
»Dorit, noch habe ich keine Kinder, ich könnte alles wieder rückgängig machen.«
»Du bist mir ja eine richtige Heiratsschwindlerin! Sackst ein Vermögen und eine Traumvilla ein und jagst den Mann wieder auf die Gasse! Wie finde ich denn das?«
Da hatte sie recht. Wenn ich mich scheiden ließe, mußte ich aus moralischen Gründen auf meinen Besitz verzichten, jedenfalls wäre ich sonst allen meinen Prinzipien untreu geworden. Oder? »Ich hänge an diesem Haus«, sagte ich.
»Kann ich gut verstehen«, erwiderte Dorit. »Ich würde es auch nicht mehr herausrücken. Übrigens ändern sich viele Männer, wenn sie ein Kind haben, und werden endlich erwachsen.«
Als es dämmerte, riefen wir Franz und Sarah in den Wintergarten; ich hatte Kakao und Kekse bereitgestellt. ›Wenn ich doch für eigene Kinder kochen könnte‹, dachte ich, ›rote Nasen putzen, wollene Pullover stricken, jetzt vor Weihnachten mit ihnen Plätzchen backen könnte…‹
Nach unserem Kaffee- und Kakaostündchen verließen sie mich wieder. Dorits gelbes Seidentuch mit blauem nautischem Dekor war liegengeblieben. Flüchtig steckte ich die Nase hinein und roch das teure Parfüm.
    Ich ging ans Fenster, sah nur noch das Rücklicht ihres Wagens und blickte auf die Uhr. Wo blieb Dieter?
    Auf einmal wurde mir bewußt, wieviel Zeit ich im Leben schon damit verbracht hatte, auf Männer zu warten. Es war eine nervenaufreibende Beschäftigung, denn ich war unfähig, während der Wartezeit etwas Vernünftiges, Zusammenhängendes zu tun. Wie oft hatte ich Essen warm gehalten, wieder vom Herd genommen, damit es nicht zerfiel, und wieder aufgewärmt, bis es schließlich völlig zerkochte. Genau wie meine Mutter.
    Also fing ich nicht an zu kochen, aber ohne Beschäftigung wurde das Warten noch schlimmer. In meiner Verzweiflung reinigte ich meinen blauen Pullover mit Tesafilm von Katzenhaaren. Immer wieder spähte ich aus dem Fenster, ob nicht ein Lichtschein das Nahen von Dieters Mercedes ankündigte. Er kam, als ich den Tränen nahe war, und entschuldigte sich sofort.
    »So, du bist spät?« fragte ich. »Ist mir gar nicht aufgefallen.« Ich konnte mich nicht verstellen: Dieter war erfahren genug, um zu wissen, was los war. Er nahm mich in die Arme und küßte mich. Wir machten Raclette und es uns hinterher auf dem Sofa bequem. Die Ehebetten oben und unten blieben ungenutzt.
    Wenn mich nicht Margot allnächtlich im Traum heimgesucht hätte, wären die nächsten Tage glücklich wie nie zuvor gewesen. Levin konnte mir gestohlen bleiben. Leider würde ihm nur sicher bald das Geld ausgehen…
    Dieser wunderbare Zustand des Sich-in-der-SchwebeBefindens und Verdrängens war natürlich nicht von Dauer. Schon nach einer Woche zogen Wolken auf. Ich kam pfeilschnell nach meiner Arbeit zu

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