Die Apothekerin
unter einer Decke steckten. Die Geschichte mit der angefahrenen Frau mochte sogar stimmen, sie paßte zu Levins Fahrweise, es konnte auch noch angehen, daß Dieter eine Kaution nach Marokko bringen sollte. Aber bei den Dollars im Schreibtisch war Betrug im Spiel.
O Undank! Ich fluchte. Warum fiel ich immer wieder auf die gleichen beschissenen Typen herein? Gut, daß ich Levin keine Vollmacht über mein Konto gegeben hatte, auf legalem Weg kam er an mein Vermögen nicht heran.
›Mich kriegt ihr nichts dachte ich, ›so clever wie ihr bin ich allemal.‹ Aber allein der Gedanke, daß man mir vielleicht nach dem Leben trachtete, war gräßlich. Bei einem offenen Kampf zog ich bestimmt den kürzeren; besser war es, lieb und ein bißchen naiv zu wirken. Oder sollte ich Levin mein Haus und mein Vermögen als edle Geste überlassen?
›Geld verändert den Charakters dachte ich, ›früher waren mir materielle Dinge weniger wichtig, ich war bescheiden in meinen Ansprüchen.‹ Doch kaum hatte ich es zu etwas gebracht, begriff ich, daß ich mich früher eben geirrt hatte.
Am nächsten Tag rief Dieter an. Alles sei glattgegangen, sie seien bereits in der Nordafrika-Exklave Ceuta und würden am nächsten Tag die Fähre ins südspanische Algeciras nehmen. Levin übernahm den Hörer und sülzte treuherzig: »Paß auf,
Schatz, ich verstehe, daß du sauer bist. Aber wenn ich dir erzähle, was ich durchgemacht habe… Findest du es sehr schlimm, wenn Dieter und ich noch ein paar Tage hier im Süden bleiben und uns ein bißchen erholen?«
Ich tat ein wenig beleidigt und sehr besorgt und hörte förmlich, wie sich Levin aufatmend eine Zigarette ansteckte.
Nun hatte ich noch ein paar Tage Zeit, um mir eine Strategie auszudenken. Ein zweites Mal stieg ich die Treppen hoch. Vielleicht gab es Zeichen, die ich übersehen hatte. Tamerlan war mit mir hinaufgehuscht und ließ sich sofort auf einem der grünbezogenen Sessel nieder, in dessen Oberfläche er ein moosiges Relief gekratzt hatte.
Lange stand ich im Schlafzimmer und betrachtete die Bettbezüge aus Flanell mit dem kitschigen Heckenrosenmuster, wahrscheinlich von Levins Großmutter in den sechziger Jahren als Neuheit erstanden. Wann waren sie das letzte Mal gewaschen worden? Mit einem leichten Würgereiz hob ich die dreiteiligen Matratzen und das Keilkissen an. Aber dieses beliebte Versteck galt wohl nur für alte Leute, Profis hatten einen Banktresor.
Leider konnte ich meine Dollars nicht einfach wieder an mich nehmen.
Noch einmal sah ich die Papiere durch. Das Fehlen von Zeugnissen, Dokumenten und Krankenversicherungsnachweisen ließ darauf schließen, daß Dieter noch ein zweites Depot besaß. Auch seine sonstige Habe war so spärlich, daß man sie in zwei Koffern davontragen konnte. Immerhin fand ich ein Foto, das ihn mit Eltern und Geschwistern zeigte - eine große Familie, die steif und fein gemacht posierte. Es sah nicht so aus, als ob die Eltern einen Fotoapparat besessen und von ihren Kindern in allen Lebenslagen Schnappschüsse gemacht hatten, wie das bei mir zu Hause der Fall gewesen war. Arme Leute, man sah es.
Eine schwere Jugend! Welches Recht hatte ich, Dieter zu verurteilen? Plötzlich spürte ich, daß meine Dollars unwichtig waren. Ich liebte diesen Mann, ganz gleich, was er vorhatte, und er liebte mich auch. Meinem Instinkt wollte ich vertrauen.
Immer wieder überlegte ich, ob ich zum Anwalt gehen sollte. Wenn er dabei leer ausginge, würde Levin einer Scheidung kaum zustimmen, aber konnte er mich daran hindern?
Er konnte es durchaus - zumal ich für ihn eine unangenehme Mitwisserin war. Ich mußte eine ähnliche Taktik anwenden wie Hermann Graber: ein Testament aufsetzen, daß im Falle meines Todes das Vermögen ans Rote Kreuz fiele. Noch am folgenden Tag wollte ich ein solches Dokument gegen eine Gebühr beim Amtsgericht hinterlegen. Levin sollte eine Fotokopie erhalten.
Als ich nach dieser lästigen Pflicht am Abend heimkam, sah ich Porsche und Mercedes einträchtig nebeneinander in der Einfahrt stehen. Die Herren waren wieder da. Mit zitternden Knien blieb ich ein paar Minuten im Auto sitzen. Sollte ich Levin oder Dieter umarmen oder keinen von beiden?
Gleichviel, früher oder später mußte ich hinein. Die Haustür öffnete sich, bevor ich den Schlüssel heraussuchen konnte, und Levin schloß mich unerwartet fest in die Arme.
Der Tisch war (bis auf die Plastikuntersetzer) festlich gedeckt, Kerzen brannten, es roch nach heißer Butter. Er habe viel
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