Die Apothekerin
meinem Liebsten heim, als ich Dieter schon an der Haustür ansah, daß etwas nicht stimmte.
Levin hatte aus Marokko angerufen. Er saß in Untersuchungshaft, weil er eine alte Frau angefahren hatte. Nach seiner Schilderung hatte sie sich absichtlich vor den Porsche geworfen. Gegen eine Kaution könne er entlassen werden und sich eventuell beim Prozeß von einem Rechtsanwalt vertreten lassen.
»Um Gottes willen!« rief ich, »was ist denn der armen Frau passiert?«
»Zum Glück nicht viel, ein gebrochener Arm, der wieder heilen wird«, sagte Dieter. »Levin hat mich gebeten, ihm sofort das Geld zu beschaffen. Es ist gewissermaßen Bestechungsgeld, das man persönlich überbringen muß.«
Ich nickte; wieviel?
Man verlangte eine horrende Summe. Obgleich ich sofort zustimmte und am nächsten Tag auf die Bank wollte, hatte ich kein gutes Gefühl. Warum konnte man das Geld nicht an die deutsche Botschaft überweisen?
An Dieters traurigem Gesicht sah ich, daß er viel lieber bei mir geblieben wäre. Die anstrengende Fahrt war sicher auch für ihn kein Vergnügen. Also hob ich klaglos das versprochene Geld ab, tauschte es in Dollars ein und nahm Abschied von Dieter. Margots Beerdigung fand ohne ihn statt.
Dorit und Gero Meißen luden mich, die ich nun allein zurückgeblieben war, zum Abendessen ein. Die Kinder schliefen, Gero rauchte eine Zigarre und verbreitete einen anheimelnden Duft. Am Fenster hing schon weihnachtliche Dekoration, zum Nachtisch gab es Bratäpfel. Gero verfolgte bei unserem Geplauder mit halbem Ohr die Nachrichten. Bei einer Fahndungsmeldung fiel ihm etwas ein. »Du wirst mich für ein altes Klatschweib halten, Hella«, sagte er, »aber wahrscheinlich solltest du wissen, was ich neulich vom Viernheimer Klüngel erfahren habe.«
Ich wollte immer alles wissen, was Gero unter der Hand von seinen Stammtischfreunden hörte.
»Die Familie Graber war stets ein Gesprächsthema in Viernheim, deswegen hört der Klatsch auch beim Enkel nicht auf. Nicht, daß ich etwas Böses über deinen Levin gehört hätte
- aber sein Umgang soll nicht immer der beste sein.«
Ich spitzte die Ohren. Es ging um Dieter.
»Ich weiß, er ist vorbestraft«, sagte ich.
»Weißt du überhaupt, warum?«
»Drogen?«
»Das auch«, sagte Gero genüßlich und ließ mich zappeln. »Vor allem hat dein Untermieter wegen Körperverletzung gesessen.«
Also war doch etwas Wahres an Levins Gerede. Mir persönlich war Dieter immer nur in sanfter und friedfertiger Verfassung unter die Augen getreten.
»Das ist wahrscheinlich lange her«, entschuldigte ich meinen Liebhaber. »Menschen ändern sich, aber ihre werten Mitmenschen vergessen und verzeihen nie.«
Gero lenkte ein. »Hella, ich gebe nur wieder, was ich gehört habe. Er mag inzwischen ein anständiges Mitglied der Gesellschaft sein; trotzdem solltest du ein bißchen aufpassen.«
Dorit beobachtete mich scharf. Sie hatte dank weiblicher Intuition sofort bemerkt, daß ich schon bei Dieters Namensnennung nervös wurde und einen roten Kopf bekam. Geros Worte hatten mich sehr getroffen.
»Es ist schön, dich wie in alten Zeiten einmal wieder ganz für uns zu haben«, sagte Gero noch. Doch beim Abschied bemerkte er versöhnlich: »Die Ehe bekommt dir nicht schlecht, du siehst gut aus.«
›Ja‹, dachte ich, ›ein paar Tage lang war ich mit einem Hausfreund glücklich gewesene Es war zu spät, Dieter zum Teufel zu jagen; ich hatte mich Hals über Kopf in ihn verliebt, und zwar viel heftiger als bei Levin.
Was hatte ich bei einer Scheidung gegen Levin vorzubringen? Im wesentlichen sein Verhältnis mit Margot. Aber durfte ich diese Demütigung und meinen Haß öffentlich zugeben? Die Polizei würde sich dann vielleicht genauer für Margots Tod interessieren. Ich hatte keine Ahnung, ob der Fall abgeschlossen war. Levin sollte vorsichtshalber nie wissen, daß ich ihn und Margot beobachtet hatte. Im übrigen hoffte ich sehr, daß Dieter ihm nicht erzählte, daß er mein Lover geworden war. Sonst läge die Vermutung nahe, er sei es schon längere Zeit gewesen, und ich hätte einen weiteren Grund gehabt, Margot abstürzen zu lassen. Ach was, so blöde würde Dieter schon nicht sein, uns zu verraten.
Und doch - Mißtrauen hatte sich eingeschlichen. Dieter war nun seit vier Tagen unterwegs; einmal hatte er kurz angerufen, aber ich verstand ihn kaum.
Eines Abends stieg ich in die obere Wohnung hinauf, die ich
- Margots wegen - nur ungern betrat. Hier hatten sie zusammen gehaust. Teilweise standen hier noch
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