Die Apothekerin
gut, und schon ist es vorbei. Sie hat es unendlich genossen, durch eure Großzügigkeit ein schönes Zuhause zu haben, ein Badezimmer, eine warme Heizung…«
Das war zuviel. Ich heulte los und konnte gar nicht wieder aufhören. Dieter strich mir übers Haar. Über seine eigenen Gefühle schwieg er sich aus.
Am darauffolgenden Montag mußte ich wieder arbeiten. Wahrscheinlich war es die beste Medizin. Nachmittags rief Dieter in der Apotheke an, was er noch nie getan hatte. Levin war nicht eingetroffen, aber die Polizei sei dagewesen. Bei Unfällen, die schwere Verletzungen oder gar den Tod zur Folge hatten, wurde routinemäßig ermittelt. Da ich die einzige Zeugin sei, sollte ich gleich nach Dienstschluß auf dem Viernheimer Polizeirevier vorbeifahren.
Ich erschrak. »Was wollten sie wissen?« fragte ich. »Sie haben sich vor allem die Mansarde angesehen, das Fenster und die Fallhöhe. Auch den zerschmetterten Fensterladen haben sie fotografiert und die Plüschpantoffeln.«
Es war ein Fehler, daß ich zugegeben hatte, im gleichen Raum gewesen zu sein. Aber als ich Dorit und Dieter die Situation schilderte, mußte ich davon ausgehen, daß Margot überlebte und ihre eigene Version erzählen würde. Dann hätte ich die Spinne ins Spiel gebracht. Unsere Aussagen wären nicht deckungsgleich gewesen.
Bei der Polizei mußte ich warten und steigerte mich in immer größere Ängste hinein. Als man schließlich meine Aussage protokollierte, kam mir die Sache nicht mehr so dramatisch vor.
»Waren Sie mit Frau Krosmansky befreundet?« wurde ich gefragt.
Ich hielt mich zurück: »Wir wohnten in einem Haus…«
Woher und wie lange ich sie kenne, ob niemand außer uns beiden im Haus gewesen sei. Mir gefielen diese Fragen nicht.
Schließlich bekam ich einen milden Vorwurf des Beamten zu hören: Es sei doch bekannt, daß die meisten schweren Unfälle im Haushalt geschähen. Wie könne man nur so leichtsinnig sein, an einem feuchten, trüben Novembersonntag in Pantoffeln auf Mansardenfensterbrettern herumzuklettern und Klappläden abzumontieren.
»Es ging alles so schnell«, sagte ich, »wir hatten den Ehrgeiz, an diesem Wochenende ohne männliche Hilfe in den Mansarden klar Schiff zu machen. Ich putzte das rechte Fenster und habe gar nicht so genau darauf geachtet, was Frau Krosmansky machte. Plötzlich hörte ich einen schauerlichen Schrei, und als ich hinsah, lag sie schon unten.«
Schon vorher hatte ich mir überlegt, daß sowohl meine als auch Margots Fingerabdrücke auf beiden Fenstern zu finden waren; man konnte meine Aussage in keinem Punkt widerlegen. Ich unterschrieb das Protokoll und wollte heim.
»Eine letzte Frage«, sagte der Beamte, als ich schon an der Tür war. »Wie kam es, daß das Ehepaar Krosmansky ins Haus von Hermann Graber - ich meine, in Ihr Haus -eingezogen ist?«
»Nun, es sind Bekannte meines Mannes«, sagte ich kühl.
Die beiden Polizisten wechselten einen Blick. »Wieder mal unser Levin«, orakelte der ältere der beiden.
Dieter hatte netterweise den Tisch gedeckt, der Teekessel summte, aus dem Backofen kam ein appetitlicher Duft.
Der Tee tat sehr gut.
»Wahrscheinlich haben sie dir gesagt, daß wir beide vorbestraft sind«, forschte Dieter.
»Wen meinst du mit ›wir beide‹?« fragte ich. Er meinte sich und Margot. Nein, die Polizei hatte wohl auch eine Art Schweigepflicht, sie hatte nicht über den Lebenswandel des Ehepaares Krosmansky gesprochen.
»Sie werden sich wundern, daß du mit uns in einem Haus wohnst«, meinte Dieter noch.
Daran hatte ich bisher gar nicht gedacht.
Dieter holte einen Gemüseauflauf aus dem Ofen, und ich genoß es, nicht mit meinen Gedanken allein zu sein.
11
Die Nachtschwester, die als letzte Tat vor dem Schichtwechsel zum Fiebermessen kam, sah besorgt mein naßgeschwitztes Hemd. Es ging mir nicht gut. Nach dem Duschen zog ich mir eines von Dorits hübschen Nachthemden über.
Ich schielte zu Frau Hirte. Hatte sie in der Nacht zugehört oder geschlafen? Wie nahm sie Margots Tod auf?
Anscheinend positiv. Als sich unsere Blicke trafen, sagte sie: »Einen schönen guten Morgen!« und dann bot sie mir völlig überraschend und ein wenig verlegen das Du an. »Ich heiße Rosemarie«, sagte sie in komplizenhaftem Ton.
Später fragte sie: »Ist Levin noch am Leben?« Sie erwartete wohl, daß nun einer nach dem anderen in meiner Geschichte drauf ging - wie bei den zehn kleinen Negerlein.
Auch am nächsten Tag war Levin nicht zurück. Dieter hatte sich die Mühe gemacht, in
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