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Die Apothekerin

Die Apothekerin

Titel: Die Apothekerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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die abscheulichen Möbel von Hermann Graber herum, teilweise Sachen vom Sperrmüll.
Alles, was von Margot stammte, war mir zuwider. Im Bad stand noch ihr klebriger Haarspray, ihr Schminkzeug, ihr Nagellack. Dieter hatte alles so gelassen, als käme sie demnächst von einer Reise zurück. Und seine Sachen? Zögernd öffnete ich den Schrank im Schlafzimmer. Dieters senffarbene Tweedhosen mit dem tief hängenden Hintern und Margots kleines Schwarzes hingen einträchtig nebeneinander.
Im staubigen Wohnzimmer standen zwei alte Sessel, eine Stehlampe mit Rüschenschirm, ein Vertiko mit ausgehängten Türen, in dem Radio und Fernseher untergebracht waren, und Hermann Grabers gewaltiger Eichenschreibtisch. Vorsichtig zog ich die Schubladen auf. Eine war abgeschlossen. Es war nichts Besonderes zu finden, Zigaretten, Kataloge und Quittungen, Fotos, Scheren und Büroklammern, Umschläge und Papier - Restbestände von Levins Großvater - und eine Packung Pralinen, wie sie mir Levin gelegentlich mitbrachte.
Mich interessierte das abgeschlossene Fach. Wie auf meiner Hochzeitsfeier kam mir Blaubarts letzte Frau in den Sinn, die unbedingt das verbotene Zimmer inspizieren mußte, obgleich sie, wie ich, die Katastrophe witterte. In dieser Schublade würde ich den entscheidenden Hinweis zu Dieters Charakter finden. Aber im Augenblick fehlte mir ganz einfach der richtige Schlüssel.
Mußte ich die Schublade wirklich mit einem Messer aufstemmen? Ob Dieter den Schlüssel mitgenommen hatte? Wahrscheinlicher war, daß er ihn irgendwo versteckt hatte. Ich setzte mich in einen der eingedellten Sessel und überlegte, wo man einen kleinen Gegenstand verbergen konnte. Hinter einem der häßlichen Ölschinken?
Ich erlebte einen unerhörten Triumph, als ich eine fast schwarze Heidelandschaft abhängte und den Schlüssel entdeckte. Ohne Suchen und Wühlen hatte ich wie ein Meisterdetektiv das große Geheimnis durch Imagination gelöst.
Angsterfüllt schloß ich auf. Am liebsten hätte ich die Schublade gar nicht aufgezogen, ich hatte keine Lust mehr auf die Enttarnung des Agenten.
Schon auf den ersten Blick sah ich das Geld in der offenen Zigarrenkiste. Es waren Dollars. Und es war genau die Hälfte der Summe, die ich umgetauscht hatte.
12
    Es gibt Krankenhaustage, da liegt man einsam im Bett, ganz ohne Besuch und Post; ein andermal kommen sie scharenweise, und man ist abends völlig erschöpft.
    An einem solchen Tag erschien als erste meine frühere Kollegin Ortrud, von der ich annehme, daß sie mich nicht leiden kann, denn ich war immer besser als sie. Leider weiß ich bis heute nicht, wieviel sie verdient. Die Chefin machte ein solches Geheimnis daraus, daß ich annehme, sie wurde bevorzugt. Es waren schließlich zwei Sportlerinnen, die sich da gefunden hatten: die Chefin eine begeisterte Reiterin, die Kollegin Hockeyspielerin. Montags zeigten beide ihre blauen Flecken. Ich wurde durch den rauhen Händedruck unangenehm an ihre Leidenschaft erinnert. »Hella, was machst ‘für Sache«, sagte Ortrud und befreite sich von einem Strauß verstaubter Strohblumen.
    Ich war froh, als sie wieder ging. Immerhin verdanke ich ihr den Tip mit den Babygläschen. In einer Apotheke gibt es nicht allzuviel Eßbares für den täglichen Gebrauch. Aber aus Junior-Pfirsichkompott kann man, dekoriert mit Sahne und ein paar frischen Beeren, ein vorzügliches Dessert bereiten, und das natürlich zum Großhandelspreis.
    »Ich hatte eine Freundin«, belehrte mich Rosemarie Hirte, »die Trockenblumen mit Haarspray auffrischte, natürlich ohne FCKW. «
    Frau Römer, Pawel, Kolja, Dorit und Gero überfüllten an diesem Tag unser Zimmer. Zum ersten Mal bekam meine Nachbarin männlichen Besuch, es war ein Apotheker namens Schröder.
    Schließlich wurden alle unbarmherzig von Dr. Kaiser hinausgescheucht. Hinterher war ich fast zu müde zum Erzählen.
    Das entdeckte Geld in Dieters Schublade brachte mich völlig aus der Fassung. Ich legte mir verschiedene Erklärungen dafür zurecht. Die unwahrscheinlichste war, daß es sich um Dieters persönlichen Besitz handelte. Es sah eher so aus, als wollte er mich übers Ohr hauen. Nur Dieter hatte mit Levin gesprochen, die wilde Geschichte, die er mir erzählt hatte, mußte gar nicht stimmen. Aber wenn mein Liebster vorhatte, sich mit dem Geld abzusetzen, dann hätte er den Gesamtbetrag mitgenommen. Und sollte er mir etwas vorgelogen haben, dann kam es ans Licht, wenn Levin zurück war.
    Des Rätsels Lösung war sicher, daß beide

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