Die Aquitaine-Verschwoerung
Leifhelms Männer haben mich gesehenâ übrigens auf dem Bahnhof. Sie wissen, wie ich aussehe.«
» Sie haben einen blassen Mann mit Bart und einigen Schrammen im Gesicht gesehen. Du musst den Bart heute Abend eben abrasieren.«
» Und mich um eine Schönheitsoperation bemühen?«
» Nein, du brauchst dich nur reichlich mit Bräunungscreme einzureibenâ davon habe ich auch etwas zu den Kleidern gelegt, die ich mitgebracht habe. Auf die Weise wird dein Gesicht dunkler werden und dem Passbild ähnlicher, und dabei verschwinden auch die Schrammen. Zumindest sind sie dann nicht mehr so auffällig. Den Rest besorgen der schwarze Hut und der Priesterkragen.«
» Warum habe ich dich je gehen lassen,«, flüsterte Joel, aber mehr zu sich selbst als zu ihr.
» Hör schon auf, Converse. Das ist vorbei.«
Er sah vom Parkplatz des Amsterdamer Schiphol-Flughafens aus zu, wie die Maschine den Runway hinunterjagte und in den Nachthimmel hinaufstieg. Vor dem Eingangsportal, als sie ausgestiegen war, hatte Val ihm den Zettel mit der Adresse gegeben, die seine Zuflucht für die Nacht sein sollte.
Er sah zu, wie der mächtige silberne Vogel nach links abdrehte und dann schlieÃlich am dunklen Himmel zu einem kleinen Punkt wurde und ganz verschwand.
Joel stand nackt vor dem Spiegel im Badezimmer des Hauses an der Lindengracht. Den Wagen hatte er knapp zehn Meter entfernt geparkt. Der alte Mann, dem die Wohnung gehörte, war freundlich und sprach ein stockendes, aber klares Englisch. Doch sein Blick war abwesend, und die Augen stellten nie Kontakt zu Joel her. Seine Gedanken weilten, so schien es, in einer anderen Zeit.
Joel hatte sich sorgfältig rasiert, viel länger geduscht, als ein Gast das eigentlich sollte, und am Ende die dunkelrote Lotion an Gesicht, Hals und Händen aufgetragen. Wenige Augenblicke später sah seine Haut bronzefarben aus. Das Ganze wirkte viel echter, als er sich von früher erinnerteâ damals war das Resultat ein fast krankhaft wirkendes Braun gewesen, viel zu kosmetisch, um irgendetwas anderes als unnatürlich zu sein. Die neue Tönung der Haut trug noch mehr dazu bei, die Schrammen in seinem Gesicht zu verbergen. Dann wusch er sich ein paarmal die Hände und achtete sorgsam darauf, dass keine Flecken an den Fingerspitzen zurückblieben.
Plötzlich erstarrte er. Von irgendwoher aus dem Haus war ein Klingeln zu hören. Er drehte schnell das Wasser ab, lauschte und hielt den Atem an. Sein Blick wanderte zu der Pistole, die er auf den schmalen Fenstersims gelegt hatte. Jetzt hörte er das Geräusch wieder, dann war eine Stimme zu hören, ein Mann am Telefon. Er trocknete sich die Hände ab und schlüpfte in den kurzen Bademantel, den er auf seinem Bett in einem kleinen, aber makellos sauberen Zimmer gefunden hatte. Er schob die Pistole in die Tasche und ging zur Tür hinaus, den dunklen, schmalen Gang hinunter, der in das Arbeitszimmer des alten Mannes führte. Es war ein ehemaliges Schlafzimmer, das mit alten Zeitschriften, ein paar Büchern und Zeitungen gefüllt war, die auf Tischen und Stühlen offen herumlagen und mit Rotstift markiert waren, um bestimmte Artikel und Bilder hervorzuheben. An den Wänden hingen Drucke und Fotografien von lange zurückliegenden Kriegshandlungen, darunter auch Bilder von Leichen in verschiedenen Stadien des Verfalls.
» Ah, Menheer«, sagte der alte Mann und beugte sich in dem mächtigen Ledersessel vor, der seinen ganzen zerbrechlichen Körper umschloss. Das Telefon stand neben ihm. » Sie sind hier sicher, ganz sicher! Das war Kabelâ Codename Kabel natuurlijk. Er hat das Hotel verlassen und Bericht erstattet.« Der Holländer, zerbrechlich, Mitte siebzig, quälte sich aus dem Sessel und stand jetzt aufrecht, die dünnen Schultern nach hinten gedrückt, starrâ ein närrischer alter Mann, der Soldat spielte. » Operation Osnabrück läuft!«, sagte er, als berichte er einem Vorgesetzten Offizier. » Wie von der Abwehr vermutet, hatte der Feind das Areal infiltriert, aber er ist enttarnt worden.«
» Er ist was worden?«
» Exekutiert, Menheer. Eine Drahtschlinge um den Hals, von hinten. Das Blut bleibt in den Kleidern, wenn der Hals nach hinten gezerrt wird, und auf die Weise gibt es keine Kampfspuren.«
» Was haben Sie gesagt?«
» Für einen Mann seines Alters ist Kabel kräftig«, fuhr der
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