Die Aquitaine-Verschwoerung
Stewardess sich wieder entfernte, » muss ich natürlich auch wissen, was Sie eigentlich treiben.«
» Ich bin Rechtsanwalt.«
» Dann haben Sie wenigstens etwas Ordentliches zu lesen. Dieses Drehbuch hier stinkt nämlich zum Himmel.«
Obwohl die meisten der angesehenen Bürger Münchens sie für eine Sammlung von Tagedieben und Nichtstuern hielt, begann die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei mit ihrem Hauptquartier in München langsam ihren Einfluss über ganz Deutschland auszubreiten. Die radikal völkische Bewegung gewann Einfluss, indem sie ihre flammende Botschaft gegen anonyme, undeutsche » Mächte« in die Welt hinausposaunte. Für sie lag die Schuld für all die Gebrechen der Nation bei einem ganzen Spektrum von Gruppierungen, die von den Bolschewiken bis zur jüdischen Bankenwelt reichte, von den ausländischen Plünderern, die ein arisches Land geschändet hatten, bis zu guter Letzt allem, was nicht » arisch« war, insbesondere den Juden und ihrem vermeintlich unredlich erworbenen Wohlstand.
Das kosmopolitische München und seine jüdische Gemeinde lachten über diese Absurditäten; sie hörten nicht darauf. Wohl aber der Rest Deutschlands, er hörte, was er hören wollte. Und Erich Stössel-Leifhelm hörte es auch. Für ihn war es der Schlüssel zur Anerkennung.
Binnen weniger Wochen brachte es der junge Mann fertig, seinen Vater wieder auf Vordermann zu bringen. In späteren Jahren erzählte er diese Geschichte oft mit grausamem Humor. Sich über die hysterischen Einwände des alten Arztes hinwegsetzend, entfernte der Sohn jeglichen Alkohol und alles Rauchbare aus seiner Wohnung und lieà den Vater nie aus den Augen. Dazu zwang er ihm ein hartes Regiment mit Gymnastik und strenger Diät auf.
In den langen Wochen der Rehabilitierung las Stössel-Leifhelm seinem Vater jeden Abend alles, was er aus dem Hauptquartier der Nationalsozialisten in die Hände bekommen konnte, vor, und es fehlte weià Gott nicht an Material. Es gab die üblichen zündenden Pamphlete, seitenweise Material über eine biologische Theorie, die vorgab, die genetische Ãberlegenheit der arischen Rasse zu beweisen, und die von einem völkischen Verfall sprach, der durch gedankenlose Vermengung von Rassen entstehen konnte. All die üblichen Naziergüsse, dazu reichliche Extrakte aus Hitlers Mein Kampf. Der Sohn las ohne Unterlass, bis der Doktor die wichtigsten Punkte der nationalsozialistischen Botschaft auswendig rezitieren konnte. Und die ganze Zeit redete der Siebzehnjährige unablässig auf den Vater ein und bemühte sich, ihm klarzumachen, das dies der Weg sei, um alles zurückzubekommen, was man ihm gestohlen hatte, eine Rache für die Jahre der Erniedrigung und des Spotts zu finden.
Der Tag kam, ein Tag, an dem Stössel-Leifhelm erfahren hatte, dass zwei hohe Parteifunktionäre in München sein würden. Es handelte sich um den verwachsenen Parteipropagandisten Joseph Goebbels und den Möchtegern-Aristokraten Rudolf HeÃ. Der Sohn begleitete den Vater zum nationalsozialistischen Hauptquartier, wo der gut gekleidete, eindrucksvolle, offenbar reiche arische Doktor um eine Audienz bei den beiden Naziführern nachsuchte, mit der Erklärung, er habe in einer wichtigen und vertraulichen Angelegenheit mit ihnen zu sprechen. Sie wurde ihm gewährt, und nach Aufzeichnungen in den Parteiarchiven waren die ersten Worte, die er an Heà und Goebbels richtete, die folgenden: » Meine Herren, ich bin Arzt mit untadeligen Papieren und war früher Chefchirurg an einem hiesigen Krankenhaus und habe daneben jahrelang eine der erfolgreichsten Privatpraxen Münchens geführt. Das ist meine Vergangenheit. Dann vernichteten mich Juden, die mir alles nahmen. Aber jetzt bin ich wieder da, ich erfreue mich wieder bester Gesundheit und stehe zu Ihren Diensten.«
Die Lufthansa-Maschine begann den Anflug auf Hamburg, und Joel griff nach seinem Aktenkoffer. Neben ihm streckte sich der Schauspieler Caleb Dowling, das Drehbuch in der Hand, und stopfte es in eine offene Flugtasche, die neben seinen FüÃen stand.
» Das Einzige, was noch alberner ist als dieser Film«, sagte er, » ist das Geld, das man mir für meine Rolle darin bezahlt.«
» Filmen Sie morgen?«, fragte Converse.
» Heute«, verbesserte ihn Dowling nach einem Blick auf seine Armbanduhr. » In aller
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