Die Arbeit der Nacht
26 hinaus.
Nach einer Weile hörte er ringsum ein tiefes Brummen. Was vor sich ging, konnte er nicht sehen, weil es in der Zentrale kein Fenster gab. Das Geräusch verriet ihm jedoch genug.
Er drehte den Regler so lange weiter, bis dieser endgültig anstieß und durch keinerlei Gewalteinwirkung mehr weitergeschoben werden konnte. Dann packte er sein Gewehr und stürzte zum Aufzug.
Ohne nach oben zu schauen, lief er zum Auto. Erst nachdem er einige hundert Meter gefahren war, blickte er zurück. Das Café rotierte um den Turm. Die Tuchfahne flatterte daran. Mit der weithin lesbaren Aufschrift:
UMIROM .
6
Am Morgen fand er zwischen der Brotdose und der Kaffeemühle ein Polaroidfoto. Es zeigte ihn. Er schlief.
Erinnern konnte er sich an dieses Bild nicht. Wann und wo war es aufgenommen worden? Er hatte auch keine Ahnung, warum er es hier fand. Am wahrscheinlichsten war, daß es Marie absichtlich oder unabsichtlich dahin gesteckt hatte.
Nur: Er hatte nie eine Polaroidkamera gehabt. Und Marie ebenfalls nicht.
Mit dem größten Beil aus dem Baumarkt kam er bei der Elternwohnung in der Hollandstraße an. Durch die Räume gehend, machte er sich ein Bild. Straßenseitig vor dem Haus Sperrmüll abzuladen war keine gute Idee, da der Zugang zum vorderen Fenster frei bleiben sollte. Den Hinterhof hingegen brauchte er nicht. Er entschied, den Hof als Müllhalde zu verwenden.
Was nicht durchs Küchenfenster paßte, mußte kleingehackt werden. Um Platz zu schaffen, beförderte er zunächst Stühle und andere handliche Gegenstände durchs Fenster in den Hof. Dann nahm er sich die Sitzgarnitur vor. Nachdem er mit Hilfe eines Teppichmessers die Stoffbezüge von den Sitzflächen gerissen und die Polster herausgenommen hatte, begann er das Möbelstück zu zerkleinern. Das tat er so energisch, daß das Beil durch das Holz hindurchfuhr und den Fußboden beschädigte. Daraufhin hielt er sich etwas zurück.
Nach der Sitzgarnitur waren die Bücherregale an der Reihe. Es folgten ein wuchtiger Wäscheschrank, ein Fauteuil, ein Zierschrank, eine Kommode. Sein T-Shirt klebte ihm auf der Haut, als er die letzten Trümmer aus dem Fenster warf. Er schnaufte.
Auf dem mit Spänen und Holzstaub bedeckten Boden hockend, sah er sich im Wohnzimmer um. Obwohl es kahl war, wirkte es wärmer als zuvor.
Um Einbahnen und rote Ampeln kümmerte er sich längst nicht mehr. Gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung fuhr er mit hoher Geschwindigkeit über die Ringstraße. Er bog in die Babenberger Straße ein, die in die Mariahilfer Straße mündete.
Diese Haupteinkaufszeile der Stadt war ihm nie sympathisch gewesen. Trubel und Hektik stießen ihn ab. Als er nun vor einem Einkaufszentrum hielt, war nichts zu hören als das Knistern unter der Motorhaube. Die einzige Bewegung weit und breit stammte von einem Stück Papier, das der Wind an der nächsten Kreuzung über den Asphalt sausen ließ. Es war heiß. Er trottete zum Eingang des Kaufhauses. Die Drehtür setzte sich in Gang.
Mit zwei Reisekoffern, die er in einem Laden im ersten Stock aus einem Schrank gezogen hatte, fuhr er auf der Rolltreppe hinauf zum Elektrogeschäft. Es fiel ihm schwer zu atmen, so stickig war die Luft. Seit Tagen schien die Sonne auf das Glasdach, ohne daß im Haus ein Fenster geöffnet worden war.
Im Elektrogeschäft ließ er hinter den Kassen die Koffer aufschnappen. Einige Reihen weiter fand er eine digitale Videokamera, mit deren Gebrauch er vertraut war. Von dieser Marke standen acht Exemplare im Regal. Das genügte. Mit den Kartons, in denen die Kameras verpackt waren, ging er zu den Koffern.
Schwieriger war die Suche nach Stativen. Mehr als drei waren nicht aufzutreiben. Er legte sie in den zweiten Koffer. Darin fanden auch zwei kleine Radios mit Kassettendeck und ein Anrufbeantworter Platz, zudem bespielbare Audio- und Videokassetten. Er schloß den Koffer, hob ihn. Es ging.
Bei den Funkgeräten und den Weltempfängern benötigte er einige Zeit, um die leistungsstärksten Modelle ausfindig zu machen. Dazu nahm er sich eine Sofortbildkamera und noch eine als Ersatz. Zuletzt fielen ihm noch die Polaroidfilme ein.
Die Luft war so abgestanden, daß er sich davonmachen wollte. Er streckte sich. Von der Arbeit in der Elternwohnung und vom Tragen und Bücken hier war sein Rücken verspannt. Er mußte an seine Masseurin denken, Frau Lindsay, die gelispelt und von ihrem Kind erzählt hatte.
Er schlang den Tiefkühlfisch hinunter. Dazu löffelte er Kartoffelsalat aus dem
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