Die Arche
befestigte das Spray wieder am Gürtel. Der Warnton in
seinem Helm riss nicht ab, und sein Handschuh blinkte noch immer
– er sah das rosa Licht unter der Dichtungsmasse pulsieren
–, aber das Kältegefühl war nicht mehr so stark. Ein
kleines Leck war geblieben, aber es würde ihm weiter keine
Probleme bereiten.
[Nun?]
Ich denke, das genügt fürs Erste. Auf der Korvette
werde ich mir den Schaden genauer ansehen.
Damit war der Zwischenfall zu Clavains Erleichterung erledigt. Der
Servomat eilte weiter, und die drei folgten ihm. Endlich mündete
der Tunnel an der Oberfläche. Als Clavain wieder draußen
stand, wurde er erwartungsgemäß von einem kurzen Schwindel
erfasst. Die geringe Anziehungskraft des Kometen war kaum
wahrnehmbar, so dass man sich mit einer einfachen Umkehrung der
Perspektive leicht einbilden konnte, mit den Füßen an
einer schwarzen Decke zu kleben und kopfüber ins Nichts zu
schauen. Doch das verging schnell, und bald fühlte er sich
wieder sicher. Der Baumeister zwängte sich durch den Ringwulst
und verschwand im Tunnel.
Sie gingen rasch auf die wartende Korvette zu, die wie ein
schwarzer Keil die Sterne verdeckte.
[Clavain…?]
Ja, Skade?
[Darf ich dich etwas fragen? Der Baumeister behauptete, du
hättest Zweifel… war das eine zutreffende Beobachtung, oder
war die Maschine durch das extreme Alter deiner Erinnerungen
verwirrt?]
Sag du es mir.
[Siehst du inzwischen ein, dass es notwendig ist, die Waffen
zurückzuholen? Ich meine, nicht intellektuell, sondern aus dem
Bauch heraus?]
Es könnte nicht einleuchtender sein. Ich verstehe
vollkommen, dass wir diese Waffen brauchen.
[Ich kann deine Aufrichtigkeit spüren, Clavain. Du
begreifst es wirklich, nicht wahr?]
Ich denke schon. Seit du mir alles gezeigt hast, sehe ich sehr
viel klarer.
Er ging so schnell, wie die Verhältnisse es zuließen,
und war Skade und Remontoire zehn oder zwölf Meter voraus.
Plötzlich – er hatte das erste Haltetau der Korvette
erreicht – griff er mit einer Hand nach der Leine, blieb stehen
und drehte sich so jäh um, dass Skade und Remontoire erschrocken
innehielten.
[Clavain…]
Er riss sich das Piezomesser vom Gürtel und stieß es in
die Plastikmembran um den Kometen. Die Klinge war auf maximale
Schärfe eingestellt. Er zog sie der Länge nach weiter, bis
ein Riss entstand und bewegte sich wie ein Krebs im Seitgang mit. Das
Messer glitt fast mühelos durch die Membran, erst ein, dann zwei
Meter weit. Da er die Leine nicht loslassen konnte, schaffte er
insgesamt nur einen vier Meter langen Schnitt.
Er hatte vorher nicht beurteilen können, ob das genügen
würde, doch jetzt spürte er in den Eingeweiden, dass es
reichte. Durch die Elastizität der übrigen Membran wurde
das Stück, auf dem die Korvette stand, zurückgezogen. Der
Riss öffnete sich ohne sein Zutun nach beiden Richtungen wie ein
Reißverschluss: aus vier Metern wurden sechs, dann zehn…
die Ränder klafften immer mehr auseinander. Skade und Remontoire
standen auf der anderen Seite und entfernten sich zusehends weiter
von ihm.
Der ganze Vorgang hatte nur ein paar Sekunden gedauert, doch Skade
reagierte sofort.
Clavain hatte das Messer kaum angesetzt, als sie auch schon
begriff, dass das ein Fluchtversuch war, und sich in sein Bewusstsein
krallte. Der neurale Angriff war von einer Brutalität, wie er
sie nie für möglich gehalten hätte. Skade schlug alle
Vorsicht, alle Geheimhaltung in den Wind und warf ihm entgegen, was
sie hatte. Ihre Such- und Zerstörungs-Algorithmen rasten auf
Radiowellen durch das Vakuum, drangen in seinen Schädel ein und
durchwühlten die verschiedenen Schichten seines Bewusstseins, um
die Basisroutinen zu finden, die es ihr erlaubten, ihn zu
paralysieren, das Bewusstsein zu rauben oder auch einfach zu
töten. Bei einem gewöhnlichen Synthetiker hätte sie
den Neuralimplantaten befohlen, sich in einem Feuerwerk von Hitze und
Druck selbst zu zerstören, und er wäre binnen Mikrosekunden
verloren gewesen. Er jedoch empfand nur einen heftigen Schmerz, als
triebe ihm jemand Schlag für Schlag einen eisernen Haken in den
Schädel.
Dennoch fiel er in Ohnmacht. Es konnten nicht mehr als zwei oder
drei Sekunden gewesen sein, doch als er wieder aufwachte, spürte
er eine lähmende Verwirrung und wusste nicht mehr, wo er war
oder was er tat. Geblieben war nur ein chemischer Imperativ,
eingebrannt in das Adrenalin, das immer noch sein Blut
überschwemmte. Er wusste nicht genau, was den Schub
ausgelöst hatte, aber
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