Die Arche
er auch
in Friedenszeiten ein Schwerverbrecher. Doch im Krieg ist die
irreversible Todesstrafe bei den meisten dieser Delikte
verpflichtend. Selbst wenn man nicht berücksichtigt, wie er
gemordet hat, hätte er den Tod gleich mehrfach
verdient.«
Das Schwein atmete ein und wieder aus. Remontoire sah das
glibberige Schutzgel zittern und fragte sich, ob dieses Wesen
träumte, und wenn ja, wie seine Träume wohl aussähen.
Konnten Schweine überhaupt träumen? Er war nicht sicher. Er
wusste nicht mehr, ob sich Wurf Sieben zu diesem Thema jemals
geäußert hatte. Aber Wurf Sieben war, was sein Bewusstsein
anging, auch nicht mit anderen Schweinen gleichzusetzen. Er war ein
sehr frühes und noch unvollkommenes Exemplar gewesen, und
Remontoire hätte ihn nicht entfernt als geistig normal oder
gesund bezeichnet. Was nicht heißen sollte, dass es ihm an
Gerissenheit und Einfallsreichtum gemangelt hätte. Der Pirat
hatte mit der Vielfalt von Foltermethoden, die er anwendete, um
Remontoire unter Druck zu setzen, seine Intelligenz und
Originalität hinreichend bewiesen. Bis heute hatte sich in einem
versteckten Winkel von Remontoires Bewusstsein (manchmal so schwach,
dass er ihn überhörte) ein Schrei erhalten, der nie endete;
ein Faden der Todesqual, der ihn mit seiner Vergangenheit
verband.
»Was waren das für Morde?«, wiederholte Felka.
»Er tötet am liebsten Menschen, Felka. Sie
abzuschlachten, hat er sozusagen zur Kunstform erhoben. Wobei ich
nicht behaupten will, dass es nicht noch andere von seiner Sorte
gäbe, kriminellen Abschaum, der die gegenwärtige Situation
schamlos ausnützt.« Skade ließ den Krebs durch die
Luft hüpfen und geschickt neben der Kapsel landen. »Aber er
hebt sich von der Masse insofern ab, als er es
genießt.«
Remontoire sagte leise: »Clavain und ich haben ihn getrawlt
und dabei Erinnerungen aus seinem Kopf geholt, die es gerechtfertigt
hätten, ihn auf der Stelle hinzurichten.«
»Und warum habt ihr es nicht getan?«, fragte Felka.
»Unter günstigeren Umständen wäre es
vielleicht dazu gekommen.«
»Wir sollten uns durch das Schwein nicht aufhalten
lassen«, sagte Skade. »Clavains Fahnenflucht war sein
Glück, denn sie zwingt uns, ins innere System zu fliegen. Sonst
hätten wir seinen Leichnam in einen schnellen Raketensprengkopf
gepackt und zurückgeschickt. Diese Alternative wurde ernsthaft
in Erwägung gezogen. Wir wären vollkommen im Recht
gewesen.«
Remontoire trat von der Kapsel zurück. »Ich dachte
schon, du wärst da drin.«
»Und jetzt bist du erleichtert?«
Remontoire erschrak, denn diesmal kam die Stimme nicht von der
Drohne. Er sah sich um und beschäftigte sich zum ersten Mal
genauer mit dem seltsamen Objekt in der Mitte des Raumes, das er sich
vorher nur flüchtig angesehen hatte. Es hatte ihn an eine
Skulptur erinnert: eine zylindrische Silbersäule, auf der ein
menschlicher Kopf thronte.
Die Mitte des Halses verschwand in einer engen schwarzen
Dichtungsmanschette. Die Säule war oben kaum breiter als der
Kopf, weitete sich aber nach unten zu einem Sockel mit verschiedenen
Messinstrumenten und Anschlussbuchsen. In ihrem Innern liefen
verborgene medizinische Prozesse ab, die sich nur hin und wieder mit
leisem Gurgeln und Klicken bemerkbar machten.
Der Kopf drehte sich, um die Besucher zu begrüßen, und
schickte Gedanken in Remontoires Kopf. [Ja, ich bin es. Es freut
mich, dass ihr meiner Drohne folgen konntet. Wir befinden uns hier im
Einflussbereich der Anlage. Spürt ihr unangenehme
Nebenwirkungen?]
Nur eine leichte Übelkeit, antwortete Remontoire.
Felka trat näher an die Säule heran. »Stört es
dich, wenn ich dich berühre?«
[Bitte sehr.]
Sie strich mit den Fingern leicht über Skades Gesicht und
fuhr mit kaum verhohlenem Entsetzen sorgfältig die Konturen
nach. Du bist es tatsächlich!, sagte sie endlich.
[Das klingt ein wenig überrascht. Wieso? Du störst
dich wohl an meinem Zustand? Ich kann dir versichern, dass ich schon
unter weitaus schlimmeren Bedingungen existiert habe. Das ist nicht
von Dauer.]
Doch Remontoire spürte hinter den Gedanken einen Abgrund des
Grauens, einen Selbsthass, der so extrem war, dass er schon an
Verehrung grenzte. Er fragte sich, ob Skade ihm bewusst Zugang zu
diesen Gefühlen gewährte, oder ob sie sich einfach nicht
genügend unter Kontrolle hatte, um ihre wahren Empfindungen zu
verbergen.
Wie konntest du zulassen, dass Delmar dir das antat?
[Es war nicht seine Idee. Es hätte zu lange gedauert,
meinen ganzen
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