Die Arche
besonderen
Anstrengungen unternehmen, um dich lebend zu fangen, auch wenn sie
das Gegenteil behauptet. Sie möchte dich mit deiner Schuld
konfrontieren, dir persönlich unter die Nase reiben, was du
getan hast…«
»Was habe ich denn getan?«, fragte er die
Aufzeichnung.
»… sie wird dich also fangen, wenn sie kann, aber ich
glaube nicht, dass sie dich lange am Leben lässt. Wenn du aber
kehrtmachst, dich ergibst und davon auch das Mutternest informierst,
könnte es noch Hoffnung geben. Hörst du mich,
Clavain?« Sie streckte die Hand aus und fuhr damit über die
Linse zwischen ihnen, als wollte sie zum tausendsten Mal sein Gesicht
berühren, um sich seine Form einzuprägen. »Ich
möchte doch nur, dass du heil und gesund zu mir
zurückkehrst. Ich habe gar nicht so viel gegen das einzuwenden,
was du getan hast. Ich habe in vielen Dingen meine Zweifel, Clavain,
und ich will nicht behaupten, ich hätte nicht…«
Sie hatte offenbar den Faden verloren und starrte ins Leere, bevor
sie den Blick wieder auf die Linse richtete. »Clavain… ich
muss dir etwas sagen, das dich vielleicht umstimmen könnte. Ich
habe noch nie mit dir darüber gesprochen, aber jetzt halte ich
die Zeit für gekommen. Ob das zynisch ist? Ja, zugegeben, ich
tue es nur, weil ich glaube, dich damit zur Umkehr bewegen zu
können; aus keinem anderen Grund. Ich hoffe, du kannst mir
verzeihen.«
Clavain schnippte mit dem Finger, und die Korvette stellte die
Musik leiser. Einen herzzerreißenden Moment lang war es fast
still. Felkas Gesicht schwebte vor ihm. Dann sprach sie weiter.
»Es war auf dem Mars, Clavain, du warst zum ersten Mal
Galianas Gefangener. Sie hat dich monatelang festgehalten und dann
frei gelassen. Du hast sicher nicht vergessen, wie die Situation
damals war.«
Er nickte. Natürlich hatte er nichts vergessen. Was waren
schon vierhundert Jahre?
»Galianas Nest wurde von allen Seiten bedrängt. Aber sie
wollte nicht aufgeben. Sie hatte Pläne für die Zukunft,
große Pläne, und dazu musste sie die Zahl ihrer
Jünger vergrößern. Aber die genetische Vielfalt im
Nest war beschränkt. Deshalb stürzte sie sich auf jede neue
DNA, die sie in die Hände bekam. Du hast auf dem Mars nie mit
Galiana geschlafen, Clavain, aber es war ein Kinderspiel für
sie, ohne dein Wissen ein paar Zellen von dir zu erhalten.«
»Und?«, flüsterte er.
Felka sprach ohne Unterbrechung weiter. »Nachdem du zu deiner
Partei zurückgekehrt warst, kombinierte sie ihre und deine
DNA-Stränge miteinander und schuf mich aus dieser genetischen
Information. Ich wurde in einer künstlichen Gebärmutter
ausgetragen, Clavain, aber ich bin dennoch Galianas Tochter. Und die
deine.«
»Nächste Botschaft«, befahl er, bevor sie noch ein
Wort sagen konnte. Das war zu viel; zu intensiv. Er konnte die
Information nicht sofort verarbeiten, obwohl Felka ihm nur etwas
bestätigte, was er immer geahnt – ja von ganzem Herzen
gehofft hatte.
Doch dies war die letzte Übertragung gewesen.
Zaghaft bat Clavain die Korvette, zurückzugehen und Felkas
Botschaft noch einmal abzuspielen. Aber er war zu gründlich
gewesen. Das Schiff hatte befehlsgemäß alles
gelöscht, und so blieb ihm nur noch, was er im Gedächtnis
behalten hatte.
Schweigend saß er da, weit weg von zu Hause, weit weg von
seinen Freunden, auf einer Mission, von der er nicht einmal sicher
war, ob er selbst daran glaubte. Dass er bald sterben und nur als
Verräter im Gedächtnis bleiben würde, war durchaus
nicht unwahrscheinlich. Er konnte nicht einmal erwarten, dass der
Feind ihm ein ehrendes Angedenken bewahrte. Und nun kam auch noch
diese Botschaft quer durch das All gerast und krallte sich in seine
Gefühle. Als er von Felka Abschied nahm, war ihm eine
Selbsttäuschung der besonderen Art gelungen. Er hatte sich
erfolgreich eingeredet, er wäre darüber hinweg, sie
für seine Tochter zu halten. Und er hatte sogar so lang daran
geglaubt, bis er das Nest verlassen hatte.
Und jetzt erklärte sie ihm, sein Verdacht sei von Anfang an
berechtigt gewesen. Und wenn er nicht umkehrte, würde er sie
niemals wiedersehen.
Aber er würde nicht umkehren.
Clavain weinte. Was sollte er sonst auch tun?
Kapitel 16
Thorn machte zaghaft seine ersten Schritte auf der Sehnsucht
nach Unendlichkeit. Verschreckt und mit großen Augen sah er
sich um, fest entschlossen, sich kein Detail, keine Nuance entgehen
zu lassen, die den Verdacht auf einen Betrug rechtfertigte, nicht den
kleinsten Anhaltspunkt dafür zu
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