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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Haltung zu Eigen gemacht.
    Antoinette hatte ein Notepad unter dem Arm und einen Stift
zwischen den Zähnen und tippte sich durch die Einstellungen der
Feld-Konfiguration des Tokamak, als von der Konsole ein
Klingelzeichen kam. Ihr erster Gedanke war, sie hätte
versehentlich irgendwo im Kontrollnetz des Schiffes eine Fehlfunktion
ausgelöst.
    Sie sprach, ohne den Stift aus dem Mund zu nehmen, denn Biest
verstand sie auch, wenn sie nur nuschelte. »Biest… bringst
du das bitte mal wieder in Ordnung?«
    »Kleine Miss, das fragliche Signal ist die Benachrichtigung
über eine eingegangene Nachricht.«
    »Von Xavier?«
    »Nicht von Mr. Liu, Kleine Miss. So weit man aus der
Kopfzeile erschließen kann, wurde die Nachricht weit
außerhalb des Karussells aufgegeben.«
    »Dann sind es die Bullen. Komisch. Sie melden sich
normalerweise nicht an; sie sind einfach da wie Hundescheiß vor
der Türschwelle.«
    »Es sieht auch nicht danach aus, als wären es die
Behörden, Kleine Miss. Darf man anmerken, dass es vielleicht am
sinnvollsten wäre, sich die Nachricht anzusehen?«
    »Klugschwätzer.« Sie nahm den Stift aus dem Mund
und steckte ihn hinters Ohr. »Schieb sie auf mein Pad,
Biest.«
    »Zu Befehl, Kleine Miss.«
    Die Tokamakdaten verschwanden. Auf dem Schirm erschien ein Gesicht
in grober Auflösung, ein Pixel-Mosaik. Wer immer der Absender
war, er wollte auf möglichst geringer Bandbreite
übertragen. Dennoch erkannte sie das Gesicht sofort.
    »Antoinette… da bin ich wieder. Ich hoffe, Sie sind heil
angekommen.« Nevil Clavain hielt inne und kratzte sich den Bart.
»Ich leite diese Übertragung über etwa fünfzehn
Relais. Einige davon stammen noch aus der Zeit vor der Seuche, manche
gehen sogar auf die Amerikano-Ära zurück, die Qualität
lässt also vermutlich zu wünschen übrig. Leider
können Sie mir nicht antworten, und ich kann Ihnen keine zweite
Botschaft senden; ich habe, ich sage es mit Nachdruck, nur diesen
einen Schuss. Ich brauche Ihre Hilfe, Antoinette. Ich brauche sie
sogar sehr dringend.« Er lächelte verlegen. »Ich
weiß, was Sie jetzt denken: ich hatte Ihnen mein Wort gegeben,
Sie zu töten, wenn Sie meinen Weg noch einmal kreuzten. Das war
kein Scherz, aber gesagt habe ich es nur, weil ich hoffte, Sie
würden mich ernst nehmen und sich aus Schwierigkeiten
heraushalten. Ich hoffe sehr, dass Sie mir das glauben, Antoinette,
denn andernfalls sehe ich wenig Chancen, dass Sie auf meine
nächste Bitte eingehen.«
    »Ihre nächste Bitte?«, fragte sie lautlos und
starrte das Notepad ungläubig an.
    »Sie lautet folgendermaßen, Antoinette: kommen Sie und
retten Sie mich. Ich stecke nämlich ziemlich tief in
Schwierigkeiten.«
    Sie hörte sich die Nachricht bis zu Ende an, aber sehr viel
mehr gab sie nicht her. Clavains Bitte war recht einfach, und sie
musste zugeben, dass es im Bereich ihrer Möglichkeiten lag, sie
zu erfüllen. Sogar die Koordinaten waren präzise genug, so
dass sie nicht lange würde suchen müssen. Das Zeitfenster
war eng, sehr eng sogar, und die Gefahr für Leib und Leben war
beträchtlich, ganz abgesehen davon, dass Clavain selbst schon
eine Gefahr darstellte. Aber es wäre machbar. Clavain hatte
offensichtlich alles genau durchdacht, bevor er sie anrief, und fast
alle naheliegenden Probleme und Einwände vorweggenommen. In
dieser Beziehung konnte sie ihn nur bewundern.
    Aber das änderte nichts. Die Botschaft kam von Clavain, dem
Schlächter von Tharsis; demselben Clavain, der in letzter Zeit
immer wieder in ihren Träumen auftauchte und dem bislang
anonymen Grauen der Rekrutierungsstationen ein Gesicht gab. Clavain,
der Herrscher über die blanken Maschinchen, die sich in ihren
Schädel senkten.
    Gewiss, er hatte ihr einmal das Leben gerettet, aber das
zählte nicht.
    »Verdammt, das kann doch wohl nur ein schlechter Witz
sein«, schimpfte Antoinette.
    * * *
    Clavain schwebte allein im All. Durch das Visier seines Raumanzugs
konnte er verfolgen, wie sich die Korvette, vom Autopiloten
gesteuert, in weitem Bogen entfernte und langsam immer kleiner wurde,
bis der schnittige keilförmige Rumpf kaum noch von einem
schwachen Stern zu unterscheiden war. Dann schaltete sich der
Hauptantrieb ein, ein harter, greller, bläulich violetter Dorn,
der es sorgsam vermied, in die Richtung zu zeigen, wo Clavain die Nachtschatten vermutete. Wäre er noch an Bord gewesen,
die Beschleunigung hätte ihn sicherlich zermalmt. Er sah dem
Lichtsplitter nach, bis auch er nur noch ein winziger heller

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