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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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weg. Die anderen
könnten die Granate mit Radar anpeilen und ihr rechtzeitig vor
dem Einschlag ausweichen.«
    Er schnallte sich ab, kletterte von der Notliege und stolperte
quer durch die Brücke, bis er dicht hinter Antoinette und Xavier
stand. Jetzt hatte er die Gelegenheit, sich die Waffensäule
genauer anzusehen und ihre Funktion mental zu
überprüfen.
    »Was haben Sie sonst noch?«
    »Zwei Kaltlichtlaserkanonen im Gigawattbereich«, sagte
Antoinette. »Einen drei Millimeter Breitenbach-Boser mit
Proton-Elektron-Vorlauf. Zwei elektronische Projektilgeschütze
für kurze Distanzen mit Feuergeschwindigkeit im
Megahertzbereich. Und einen Impulskaskaden-Graser für
Einmalbetrieb, Leistung unbekannt.«
    »Wahrscheinlich im mittleren Gigawattbereich. Was ist
das?«, fragte Clavain und zeigte auf das einzige aktive
Geschütz, das sie nicht erwähnt hatte.
    »Das? Das ist nur ein schlechter Witz. Eine
Gatling-Kanone.«
    Clavain nickte. »Nein, ganz im Gegenteil. Verachten Sie mir
die Gatling-Kanonen nicht. Die haben durchaus ihren Wert.«
    Xavier meldete sich. »Fangen Abgasfahne von Umkehrschub auf.
Dopplerverschiebung zeigt, dass sie langsamer werden.«
    »Haben wir sie verscheucht?«, fragte Clavain.
    »Leider nein; sieht ganz nach dem übliche
Anflugmanöver von Phantomen aus«, antwortete Xavier.
    »Scheiße«, sagte Antoinette.
    »Tun Sie gar nichts, bis sie näher heran sind«,
sagte Clavain. »Noch sehr viel näher. Die werden nicht
angreifen, sie haben viel zu viel Angst, Ihre Fracht zu
beschädigen.«
    »Ich werde Sie an Ihre Worte erinnern, wenn sie uns die Kehle
durchschneiden«, sagte Antoinette.
    Clavain zog die Augenbrauen hoch. »Ist das denn
üblich?«
    »Das ist sogar noch das nettere, humanere Ende des
Spektrums.«
    Die nächsten zwölf Minuten gehörten zu den
spannendsten, die Clavain je erlebt hatte. Er verstand, wie seinen
Rettern zumute war, und konnte auch nachvollziehen, dass sie den
Wunsch hatten, auf den Feind zu schießen. Doch das wäre
Selbstmord gewesen. Die Strahlenwaffen waren zu schwach für
einen sicheren Abschuss, und die Projektilwaffen waren so langsam,
dass man damit höchstens auf kurze Distanz etwas ausrichten
konnte. Bestenfalls ließe sich damit ein Phantom vom
Himmel holen, aber nicht zwei auf einmal. Zugleich fragte sich
Clavain, warum die Phantome den Warnschuss nicht beachtet hatten.
Antoinette hatte ihnen sehr deutlich gemacht, dass es nicht so
einfach sein würde, ihr die erhoffte Fracht zu stehlen. Clavain
hätte angenommen, dass sie daraufhin aufgeben und sich ein
weniger wendiges, weniger gut bewaffnetes Ziel suchen würden.
Aber Antoinette zufolge war es schon ungewöhnlich, dass Phantome
sich überhaupt so weit ins Kriegsgebiet vorwagten.
    Als der Abstand nur noch knapp hundert Kilometer betrug, bremsten
die beiden Verfolger ab und trennten sich. Der eine schoss zur
gegenüber liegenden Seite der Sturmvogel, um sich von
dort aus weiter anzupirschen. Clavain studierte das
vergrößerte Kamerabild des näheren Schiffes. Es war
verschwommen – die Kameras der Sturmvogel wären
für ein Militärschiff nicht leistungsfähig genug
gewesen –, aber es genügte, um alle eventuell noch
vorhandenen Zweifel bezüglich der Identität des
Quälgeistes zu zerstreuen. Es handelte sich um ein Raumschiff
mit Wespentaille, etwas kleiner als die Sturmvogel, aber
nachtschwarz und über und über mit Enterhaken und
angeschweißten Geschützen besetzt. Abstrakte
Neonmarkierungen stellten Totenschädel und Haifischzähne
dar.
    »Wo kommen sie her?«, fragte Clavain.
    »Das weiß niemand«, sagte Xavier. »Irgendwo
aus der Gegend Rostgürtel /Yellowstone, aber genauer…
keinen blassen Schimmer.«
    »Und von der Obrigkeit werden sie so ohne weiteres
geduldet?«
    »Die Obrigkeit ist machtlos. Die Demarchisten ebenso wie der
Ferrisville-Konvent. Deshalb hat doch jeder die Hosen so gestrichen
voll, sobald Phantome auftauchen.« Xavier zwinkerte Clavain
verschwörerisch zu. »Glauben Sie mir, selbst wenn ihr hier
die Zügel in die Hand nehmt, solange diese Bastarde die Gegend
unsicher machen, habt ihr nicht viel Freude daran.«
    »Nur gut, dass das wahrscheinlich nicht mehr mein Problem
ist«, sagte Clavain.
    Die beiden Schiffe nahmen die Sturmvogel von zwei Seiten in
die Zange. Die optischen Bilder wurden schärfer und
ermöglichten es Clavain, Schwächen und Stärken der
Gegner zu erkennen und ihre Bewaffnung einzuschätzen. Dutzende
von Szenarien rasten durch seinen Kopf. Bei sechzig

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