Die Arche
doch. Mein Boss ist sehr sicherheitsbewusst und
möchte selbst bestimmen, wie viel er Ihnen mitteilt.«
Wieder beugte sie sich über ihn. »Sie müssen leider
diesen Anzug ausziehen, sonst komme ich nicht an Ihren Hals
heran.«
Clavain sah ein, dass Widerstand zwecklos war, und schloss die
Augen. Die kalte Spitze der Injektionsnadel drang in seine Haut ein.
Zebra ging sehr geschickt vor. Als die Droge in seinen Blutkreislauf
gelangte, durchlief ihn ein zweiter Kälteschauer.
»Was hat Ihr Boss mit mir vor?«, fragte er.
»Das weiß er vermutlich selbst noch nicht so
genau«, sagte Zebra. »Er ist nur neugierig. Das können
Sie doch sicher verstehen?«
Clavain hatte seine Implantate bereits angewiesen, alles zu
neutralisieren, was Zebra ihm gespritzt hatte. Während die
Nanomaschinen sein Blut filterten, war eine leichte
Bewusstseinstrübung – vielleicht sogar eine kurze Ohnmacht
– nicht auszuschließen, aber sie würde nicht von
Dauer sein. Die Nanomaschinen der Synthetiker wirkten gegen
alle…
* * *
Er saß aufrecht in einem eleganten Sessel aus rauem
schwarzem Schmiedeeisen, der fest auf einem uralten Untergrund
verankert war. Er befand sich nicht mehr in Zebras Schiff, sondern
auf einem Planeten. Der blaugraue Marmor unter dem Sessel erinnerte
mit seinen phantastischen Adern, Streifen und Kringeln an einen von
bunten Gasströmen durchzogenen interstellaren Nebel.
»Guten Tag, Mr. Clavain. Wie fühlen Sie sich?«
Das war nicht Zebras Stimme. Auf dem Marmor näherten sich
gemächliche Schritte. Clavain hob den Kopf und sah sich um.
Man hatte ihn in ein riesiges Treib- oder Gewächshaus
gebracht. Säulen aus geädertem schwarzem Marmor umrahmten
schöne Sprossenfenster, die sich in zwanzig bis dreißig
Metern Höhe nach innen wölbten und eine Kuppel bildeten.
Spalierwände mit leuchtend grünen Ranken reichten fast bis
zum höchsten Punkt. Dazwischen wuchsen in großen
Töpfen oder Becken viele Pflanzen, die Clavain nicht benennen
konnte. Er erkannte nur ein paar Orangenbäume und eine Art
Eukalyptus. Über seinem Sitz erhob sich ein weidenähnlicher
Baum mit tief herabhängenden Zweigen, die ihm wie ein feiner
grüner Vorhang nach mehreren Richtungen die Sicht versperrten.
Leitern und Wendeltreppen führten zu frei schwebenden Stegen,
die teils an den Wänden entlang liefen, teils den ganzen Raum
überspannten. Irgendwo außerhalb seines Blickfeldes
plätscherte es wie ein kleiner Springbrunnen. Die Luft war nicht
mehr kalt und dünn, sondern kühl und frisch.
Der Mann, der ihn angesprochen hatte, war leise vor ihn hin
getreten. Er war so groß wie Clavain und ebenfalls dunkel
gekleidet – irgendjemand hatte Clavain den Raumanzug ausgezogen
–, aber damit war die Ähnlichkeit erschöpft. Nach
seinem Äußeren zu urteilen war er biologisch zwanzig oder
dreißig Jahre jünger. Das glatt nach hinten gekämmte
Haar war noch kaum angegraut. Er war muskulös, aber nicht bis
zur Lächerlichkeit übertrainiert. Über engen schwarzen
Hosen trug er einen knielangen, vorne offenen schwarzen Kittel, der
an der Taille von einem Gürtel zusammengehalten wurde.
Oberkörper und Füße waren nackt. Er baute sich mit
verschränkten Armen vor Clavain auf und betrachtete ihn mit
einer Mischung aus Belustigung und gelinder Enttäuschung.
»Ich hatte gefragt…«, begann der Fremde.
»Nachdem Sie mich offensichtlich untersucht haben«,
unterbrach Clavain, »wissen Sie doch sicherlich schon alles, was
ich Ihnen sagen könnte?«
»Sie scheinen verärgert.« Der Mann sprach
Canasisch, aber ein wenig stockend.
»Ich weiß nicht, wer Sie sind oder was Sie wollen, aber
Sie ahnen gar nicht, was Sie angerichtet haben.«
»Angerichtet?«, fragte der Mann.
»Ich war dabei, zu den Demarchisten überzulaufen. Aber
das dürfte Ihnen ja bekannt sein.«
»Ich weiß nicht, inwieweit Zebra Sie informiert
hat«, sagte der Fremde. »Es stimmt, wir wissen einiges
über Sie, aber weniger, als uns lieb wäre. Deshalb haben
wir Sie hierher gebracht. Sie sind unser Gast.«
»Gast?«, schnaubte Clavain.
»Mag sein, dass ich den Begriff etwas weiter fasse als sonst
üblich. Aber ich möchte nicht, dass Sie sich als Gefangener
fühlen, denn das sind Sie nicht. Sie sind auch keine Geisel.
Möglicherweise lassen wir Sie schon sehr bald wieder frei. Dann
kann der Schaden so groß nicht sein.«
»Sagen Sie mir, wer Sie sind«, verlangte Clavain.
»Augenblick noch. Würden Sie zuerst mit mir kommen? Ich
denke, die Aussicht wird Sie
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