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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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einer
zweidimensionalen Landkarte – terrassenförmige Parks und
Seen ausmachen.
    Das Gebäude war schwarz und von monumentaler Architektur.
Seine Form konnte er nicht einmal erahnen, aber von einem anderen
Standort in Chasm City aus betrachtet hätte es vermutlich so
schwarz und tot und vage bedrohlich ausgesehen wie ein einsamer Baum,
in den der Blitz eingeschlagen hatte.
    »Schön«, sagte Clavain. »Die Aussicht ist sehr
hübsch. Wo sind wir denn nun?«
    »Im Château des Corbeaux, Mr. Clavain. Dem
Rabenschloss. Sie erinnern sich doch an den Namen?«
    Clavain nickte. »Skade war hier.«
    Der Mann nickte. »Das habe ich gehört.«
    »Dann waren Sie an den Vorgängen damals
beteiligt?«
    »Nein, Mr. Clavain. Ich nicht. Aber meine Vorgängerin,
die Person, die das Gebäude als Letzte bewohnte, dafür umso
mehr.« Der Mann drehte sich um und reichte Clavain die rechte
Hand. »Mein Name ist H, Mr. Clavain. Zumindest tätige ich
zurzeit unter diesem Namen meine Geschäfte. Wollen wir ein Geschäft miteinander machen?«
    Bevor Clavain antworten konnte, hatte H seine Hand ergriffen und
drückte sie. Clavain zog sie überrascht zurück. Auf
der Innenfläche prangte ein kleiner roter Fleck, der aussah wie
Blut.
    * * *
    H führte Clavain über viele Stufen wieder auf den
Marmorboden hinab. Sie gingen an dem Springbrunnen vorbei, den
Clavain vorher gehört hatte – eine goldene Schlange ohne
Augen, die ständig einen Wasserstrom ausspie –, und stiegen
über eine weitere lange Marmortreppe ein Stockwerk tiefer.
    »Was wissen Sie über Skade?«, fragte Clavain. Er
traute H nicht über den Weg, aber es konnte nicht schaden, ihm
ein paar Fragen zu stellen.«
    »Weniger als mir lieb wäre«, sagte H. »Aber
ich kann Ihnen mit gewissen Einschränkungen gerne sagen, was ich
in Erfahrung bringen konnte. Skade wurde nach Chasm City entsandt, um
für die Synthetiker bestimmte Geheimnisse auszuspionieren. Es
ging dabei um dieses Gebäude. Ist das so weit richtig?«
    »Das müssten Sie doch wissen?«
    »Nun kommen Sie, Mr. Clavain, sie brauchen nicht in die
Defensive zu gehen. Sie werden bald feststellen, dass wir viel mehr
gemeinsam haben, als Sie vielleicht denken.«
    Clavain musste fast lachen. »Ich kann mir nicht vorstellen,
dass Sie und ich überhaupt etwas gemeinsam haben sollen,
H.«
    »Nein?«
    »Ich bin vierhundert Jahre alt und habe wahrscheinlich mehr
Kriege erlebt, als Sie Sonnenuntergänge gesehen haben.«
    H kniff belustigt die Augen zusammen.
»Tatsächlich?«
    »Ich sehe die Dinge zwangsläufig aus einem etwas anderen
Blickwinkel als Sie.«
    »Das glaube ich Ihnen gerne. Würden Sie mir folgen, Mr.
Clavain? Ich möchte Ihnen die ehemalige Bewohnerin dieses Hauses
zeigen.«
    Sie gingen durch hohe schwarze Korridore mit schmalen Fenstern,
die nur wenig Licht einließen. Clavain fiel auf, dass H ein
wenig hinkte, weil ein Bein geringfügig kürzer war als das
andere, doch das vermochte er meistens zu überspielen. Er
bewohnte offenbar das ganze riesige Gebäude oder jedenfalls
diesen Trakt von der Größe eines Herrenhauses allein.
Vielleicht entstand dieser Eindruck auch nur dadurch, dass die
Dimensionen so gewaltig waren. Clavain ahnte bereits, dass H eine
einflussreiche Organisation kontrollierte.
    »Beginnen wir am Anfang«, sagte Clavain. »Wie kamen
sie mit Skade in Kontakt?«
    »Durch ein gemeinsames Anliegen, könnte man vielleicht
sagen. Ich lebe seit einem Jahrhundert hier auf Yellowstone, Mr.
Clavain. In dieser Zeit habe ich mir einige Steckenpferde zugelegt
– die inzwischen einen fast schon zwanghaften Charakter
angenommen haben.«
    »Wie zum Beispiel?«
    »Sühne wäre ein Schlagwort. Ich habe eine,
wohlwollend ausgedrückt, bewegte Vergangenheit. Ich habe einiges
an Schuld auf mich geladen. Aber wer hätte das nicht?« Sie
hatten eine schwarze Marmorwand erreicht, in die eine
Rundbogentür eingelassen war. H öffnete die Tür und
geleitete Clavain in einen fensterlosen Raum, in dem es so
gespenstisch still war wie in einer Gruft.
    »Warum dieses Interesse an Sühne?«
    »Um mich von Schuld zu befreien, was sonst? Um in gewissem
Maße Wiedergutmachung zu leisten. Ein Mensch kann derzeit trotz
aller aktuellen Schwierigkeiten erstaunlich lange leben. In
früheren Zeiten war man durch ein schändliches Verbrechen
sein Leben lang oder wenigstens für die biblischen siebzig Jahre
gezeichnet. Aber jetzt können wir Jahrhunderte alt werden. Darf
eine einzige schmachvolle Tat ein so langes

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