Die Arche
Situation
wie diese zugesteuert, weil sie ahnte, was sich daraus entwickeln
könnte. Doch vor der einen schmerzlichen Wahrheit, die auch nach
allem, was inzwischen geschehen war, noch immer ihr Leben bestimmte,
gab es kein Entrinnen. Sie war eine verheiratete Frau.
Thorn fügte hinzu: »Aber man sagt ja, was nicht ist,
kann noch werden.«
»Thorn…«
»Sprich weiter, Ana. Sprich weiter.« Thorns Stimme war
weich geworden. »Ich will alles hören.«
* * *
Später, nachdem sie den Gasriesen eine Lichtminute weit
hinter sich gelassen hatten, meldete die Konsole eine
Laserstrahlübertragung von der Sehnsucht nach Unendlichkeit. Ilia musste Khouris Schiff mit Tiefensensoren verfolgt und
abgewartet haben, bis der Winkelabstand zu den
Unterdrücker-Maschinen groß genug war. Obwohl sie
Relaisdrohnen verwendete, achtete sie sehr darauf, ihre Position
nicht zu verraten.
»Wie ich sehe, seid ihr auf dem Heimweg«, sagte sie, und
jedes Wort triefte vor Missbilligung. »Außerdem sehe ich,
dass ihr dem Kern der Aktivitäten sehr viel näher gekommen
seid, als wir vereinbart hatten. Das ist nicht gut. Das ist ganz und
gar nicht gut.«
»Sie ist nicht mit uns zufrieden«, flüsterte
Thorn.
»Ihr seid ein unverantwortliches Risiko eingegangen.
Hoffentlich habt ihr wenigstens etwas in Erfahrung gebracht. Kehrt
jetzt schleunigst zum Raumschiff zurück. Wir dürfen Thorn
nicht länger aufhalten. Er hat auf Resurgam eine wichtige
Aufgabe… und auch die Inquisitorin hat ihr Amt in Cuvier schon
allzu lange vernachlässigt. Wenn ihr erst hier seid, habe ich
dazu noch einiges mehr zu sagen.« Sie zögerte kurz, dann
fügte sie hinzu: »Irina Ende.«
»Sie weiß noch nicht, dass ich im Bild bin«, sagte
Thorn.
»Ich muss es ihr sagen.«
»Ich glaube nicht, dass das klug wäre, Ana.«
Sie sah ihn an. »Nein?«
»Warte noch ein wenig. Wir wissen nicht, wie sie es aufnehmen
würde. Wir tun wahrscheinlich besser so, als dächte ich
noch immer… du weißt schon.« Er beschrieb kleine
Kreise mit dem Zeigefinger. »Meinst du nicht auch?«
»Ich habe Ilia schon einmal etwas verheimlicht. Das war ein
schwerer Fehler.«
»Diesmal bin ich auf deiner Seite. Wir können es ihr
schonend beibringen, wenn wir erst wieder heil an Bord
sind.«
»Hoffentlich hast du Recht.«
Thorn zwinkerte ihr verschmitzt zu. »Es wird alles gut, das
verspreche ich dir. Du musst mir nur vertrauen. Das ist doch nicht so
schwierig? Du hast von mir schließlich das Gleiche
verlangt.«
»Aber wir haben sie belogen.«
Er streifte scheinbar zufällig ihren Arm, ließ dann
jedoch die Hand Sekunden lang darauf liegen. »Das müssen
wir einfach verdrängen.«
Als sie seine Hand wegschieben wollte, umfasste er zärtlich
ihre Finger. Einen Moment lang verharrten sie so. Khouri hörte
ihre eigenen Atemzüge. Sie sah Thorn an. Sie wusste genau, was
sie wollte, und dass es ihm ebenso erging.
»Es geht nicht, Thorn.«
»Warum nicht?« Das hörte sich an, als könnte
es keinen sinnvollen Einwand geben.
»Weil…« Sie zog ihre Hand aus der seinen:
»Weil ich noch gebunden bin. Weil ich jemandem ein Versprechen
gegeben habe.«
»Wem?«, fragte Thorn.
»Meinem Ehemann.«
»Entschuldige, aber dass du verheiratet sein könntest,
wäre mir nie in den Sinn gekommen.« Er ging auf Abstand und
lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Das ist in keiner
Weise abwertend gemeint. Aber erst begegnest du mir als Inquisitorin
und dann als Ultra. Beides verträgt sich nicht unbedingt mit
meinen Vorstellungen von einer braven Ehefrau.«
Sie hob die Hand. »Es ist schon gut.«
»Wer ist dein Mann, wenn ich fragen darf?«
»Das Ganze ist nicht so einfach, Thorn, und ich bin
wahrhaftig nicht glücklich darüber.«
»Bitte sag es mir. Ich will es wissen.« Er hielt inne.
Vielleicht hatte er in ihrem Gesicht gelesen. »Ist dein Mann
tot, Ana?«
»Auch das kann man nicht so einfach sagen. Mein Mann war
Soldat. Ich früher auch. Wir kämpften beide auf Sky’s
Edge in den Halbinsel-Kriegen. Du hast sicher von unseren grotesken
Zwistigkeiten gehört.« Sie wartete seine Antwort nicht ab.
»Wir kämpften in der gleichen Einheit, wurden verwundet und
bewusstlos in den Orbit gebracht. Dabei ging etwas schief. Ich wurde
mit jemand anderem verwechselt und dem falschen Hospitalschiff
zugewiesen. Wie das passieren konnte, weiß ich bis heute nicht.
Jedenfalls wurde ich auf ein größeres Schiff verladen, das
zu einem interstellaren Flug startete. Ein Lichtschiff. Als der
Fehler endlich
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