Die Arche
weiß,
gehört ihr doch das Schiff dort in Ihrem
Wartungsschacht?«
Xavier spürte ein Kribbeln im Nacken. »Und Ihr
Name…«
»Man nennt mich Mr. Clock.«
Mr. Clocks Gesicht war wie eine Illustration aus einem Lehrbuch
der Anatomie. Xavier konnte unter der Haut die Knochen erkennen. Mr.
Clock wirkte wie ein Todkranker, aber er hatte den leichten Schritt
eines Balletttänzers oder eines Pantomimen.
Noch beunruhigender fand Xavier freilich den zweiten Besucher.
Beim ersten flüchtigen Blick hatte er zwei Männer gesehen,
der eine groß und dünn wie ein Leichenbestatter, der
andere gedrungen und breitschultrig wie ein Berufsringer. Der
Kleinere hielt den Kopf gesenkt und blätterte in einer der
Broschüren, die auf dem Tischchen auslagen. Zwischen seinen
Füßen stand eine unscheinbare schwarze Kiste von der
Größe eines Werkzeugkastens.
Xavier blickte auf seine Hände nieder.
»Und das ist mein Kollege, Mr. Pink.«
Mr. Pink hob den Kopf. Xavier stutzte und konnte seine
Überraschung kaum verbergen. Der zweite Besucher war kein
Standardmensch, sondern ein Schwein. Unter seiner runden glatten
Stirn funkelten zwei schwarze Äuglein, die Xavier aufmerksam
ansahen. Die Nase war ein kleiner, aufwärts gebogener
Rüssel. Xavier hatte schon Menschen mit seltsameren Gesichtern
gesehen, aber darum ging es hier nicht. Mr. Pink war nie ein Mensch gewesen.
»Hallo«, sagte das Schwein und wandte sich wieder seiner
Lektüre zu.
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet«, sagte
Clock.
»Ihre Frage?«
»Nach dem Schiff. Es gehört doch Antoinette
Bax?«
»Ich sollte nur einige Ausbesserungsarbeiten am Rumpf
vornehmen. Mehr weiß ich nicht.«
Clock nickte lächelnd, ging zur Tür und machte sie zu.
Mr. Pink blätterte eine Seite der Broschüre um und lachte
dabei leise in sich hinein. »Das ist aber nicht die ganze
Wahrheit, nicht wahr, Mr. Liu?«
»Wie bitte?«
»Nehmen Sie doch Platz, Mr. Liu.« Clock deutete auf
einen der Stühle. »Ruhen Sie sich einen Moment lang aus.
Ich habe etwas mit Ihnen zu besprechen.«
»Ich muss wirklich zu meinen Affen zurück.«
»Sie werden schon nicht gleich Dummheiten machen, wenn Sie
kurz weg sind. Also.« Clock deutete wieder auf den Stuhl, und
das Schwein hob den Kopf und sah Xavier fest an. Der setzte sich und
analysierte im Geist seine Möglichkeiten. »Kommen wir zu
Miss Bax. Aus Flugaufzeichnungen, frei zugänglichen
Flugaufzeichnungen, lässt sich entnehmen, dass ihr Schiff
identisch ist mit dem, das derzeit im Wartungsschacht parkt und an
dem Sie arbeiten. Das ist Ihnen doch sicher bekannt?«
»Mag sein.«
»Ich bitte Sie, Mr. Liu, Ihre Ausflüchte sind wirklich
sinnlos. Wir haben Informationen gesammelt, aus denen hervorgeht,
dass zwischen Ihnen und Miss Bax eine sehr enge Beziehung besteht.
Natürlich wissen Sie, dass die Sturmvogel ihr
gehört. Und Sie kennen auch die Sturmvogel sehr genau,
nicht wahr?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Wir hätten Miss Bax gern persönlich ein paar
Fragen gestellt, wenn das nicht zu viele Umstände
macht.«
»Da kann ich Ihnen nicht helfen.«
Clock zog seine feine, kaum sichtbare Augenbraue hoch.
»Nein?«
»Wenn Sie mit ihr reden wollen, müssen Sie schon selbst
sehen, wo Sie sie finden.«
»Nun gut. Ich hatte gehofft, nicht zu solchen Mitteln greifen
zu müssen, aber…« Clock sah das Schwein an, das
daraufhin die Broschüre auf den Tisch zurück legte und
aufstand. Es war so massig wie ein Gorilla. Beim Gehen hatte es
Mühe, die Balance zu halten. Nun drängte es sich mit seinem
schwarzen Kasten an Xavier vorbei.
»Wo will er hin?«, fragte Xavier.
»Zu ihrem Schiff. Er ist ein fähiger Mechaniker, Mr.
Liu. Sehr geschickt in Reparaturen aller Art, aber leider auch sehr
tüchtig, wenn es darum geht, Dinge zu zerstören.«
* * *
H führte Clavain noch eine Treppe hinunter. Sein breiter
Rücken war immer ein bis zwei Stufen voraus. Sein blauschwarzes
Haar glänzte ölig und bewahrte die Spuren des Kamms. H
befürchtete offenbar nicht, Clavain könnte ihn angreifen
oder versuchen, aus dem monströsen schwarzen Château zu
fliehen. Und Clavain war selbst überrascht, wie bereitwillig er
sich diesem Fremden fügte. Vermutlich war er einfach neugierig.
H wusste Dinge über Skade, die ihm selbst unbekannt waren, auch
wenn er nicht vorgab, alle Fakten zu kennen. Andererseits zeigte H
auch deutlich Interesse an Clavain. Beide konnten viel voneinander
lernen.
Dennoch ging es so nicht weiter, dachte er. Sein neuer
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