Die Arche
Und sie sollte ihm offenbar bald folgen.
Heilige Scheiße… noch vor einer halben Stunde war die
drohende Pleite ihre einzige Sorge gewesen.
»Biest!«, schrie sie. »Biest, wenn du irgendetwas
tun kannst… jetzt wäre vielleicht kein schlechter
Moment.«
»Bitte um Verzeihung, Kleine Miss, aber alles, was man tun
könnte, wäre für dich unangenehmer als für die
Drohne.« Die Stimme hielt kurz inne, dann fügte sie hinzu:
»Es tut mir wirklich aufrichtig Leid.«
Antoinette starrte die Wand an. Es wurde totenstill, die Ruhe vor
dem Sturm. Biests Stimme hatte ganz anders geklungen, so als
hätte die Unterpersönlichkeit spontan auf ein neues
Identitätsprogramm umgeschaltet. Wann hätte Biest jemals in
der Ich-Form von sich gesprochen?
»Biest…«, sagte sie ruhig.
»Biest…?«
Dann war die Drohne da, schnappte sich Antoinette mit ihren
diamantharten, säbelscharfen Metallgliedern und zerrte sie von
Xavier weg. Antoinette zappelte, schrie aus Leibeskräften und
verletzte sich natürlich an den scharfen Instrumenten. Das Blut
quoll aus den Wunden und schwebte in langen rubinroten
Tropfenbögen durch die Luft. Ihr wurde ganz schwach, die Sinne
drohten ihr zu schwinden.
Da trat das Schwein in Aktion und ging auf die Maschine los. Es
war nicht groß, aber dafür ungeheuer stark. Verbissen
wehrte es die klingenbestückten Glieder ab. Die Servomotoren der
Drohne protestierten mit lautem Winseln. Das Blut des Schweins
zeichnete bizarre Kringel in die Luft und vermischte sich mit
Antoinettes Lebenssaft. Die Tropfen zerfielen in immer kleinere
Perlchen und hingen wie scharlachroter Nebel im Raum. Antoinette sah,
wie die Maschine wütend auf Mr. Pink eindrosch. Sein Blut floss
in Strömen, umwallte ihn wie die Bänder einer Aurora. Mr.
Pink brüllte vor Schmerz und Wut, aber er gab nicht auf. Der
Taser stotterte eine blaue Kurve in die Luft. Der Lauf der
Gatling-Kanone rotierte schneller, als wollte die Drohne eine Salve
durch die Kabine jagen.
Antoinette kroch zu Xavier zurück. Ihre Handflächen
waren kreuz und quer zerschnitten. Sie fühlte Xavier die Stirn.
Vor ein paar Minuten hätte sie ihn vielleicht noch retten
können, aber jetzt war es aussichtslos. Mr. Pink kämpfte
tapfer, aber die Niederlage war unausweichlich. Die Maschine
würde siegen, sie würde sie immer wieder von Xavier
wegreißen, und schließlich würde sie Antoinette
vielleicht sogar töten.
Das war das Ende. Und dabei wäre das alles nicht passiert,
dachte sie, wenn sie auf ihren Vater gehört hätte. Er hatte
sie immer vor den Spinnen gewarnt, und er hatte Recht behalten,
obwohl er nicht hatte vorhersehen können, unter welchen
Umständen sie jemals mit ihnen zu tun bekommen würde.
Tat mir Leid, Dad, dachte Antoinette. Du warst der
Klügere, aber ich dachte, ich wüsste es besser.
Nächstes Mal werde ich brav auf dich hören, das verspreche
ich dir…
Das Winseln der Servomotoren riss jäh ab. Die Drohne bewegte
sich nicht mehr. Die Gatling-Kanone grollte nur noch leise und
verstummte. Der summende Taser sprühte einen letzten Funkenbogen
und erlosch. Die Zentrifuge wurde langsamer, bis Antoinette sie nicht
mehr hören konnte. Dann erstarb auch das Summen. Die Maschine
stand reglos da, eine hässliche, blutüberströmte
Spinne, die ihre Glieder von einer Wand zur anderen streckte.
Antoinette raffte sich auf. »Mr. Pink… was haben Sie
getan?«
»Gar nichts«, sagte das Schwein und nickte zu Xavier
hin. »An Ihrer Stelle würde ich mich lieber um ihn
kümmern.«
»Bitte helfen Sie mir. Ich habe nicht mehr die nötige
Kraft.«
»Helfen Sie sich doch selbst.
Sie sah, dass Mr. Pink ebenfalls schwer verletzt war und immer
noch viel Blut verlor. Aber er hatte nur Fleischwunden in allen
Größen; alle Finger und Zehen waren noch vorhanden, und
offenbar hatte er sich auch nichts gebrochen.
»Ich flehe Sie an. Helfen Sie mir, seinen Brustkorb zu
massieren.«
»Ich habe gelobt, niemals einem Menschen zu helfen,
Antoinette.«
Also begann sie selbst, Xaviers Oberkörper zu bearbeiten,
aber jede Bewegung kostete sie mehr Kraft, als sie erübrigen
konnte.
»Bitte, Mr. Pink…«
»Es tut mir Leid, Antoinette. Das geht nicht gegen Sie
persönlich, aber…«
Sie hielt inne. Ihr Zorn gewann die Oberhand. »Aber
was?«
»Menschen sind nicht gerade meine Lieblingsspezies.«
»Nun, Mr. Pink, dann hat die menschliche Spezies folgende
Botschaft an Sie: Sie können sich mit Ihrer Einstellung zum
Teufel scheren!«
Sie wandte sich Xavier zu und
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