Die Arche
direkt, nein.« H wandte sich an Clavain.
»Xavier hat Glück, dass er noch am Leben ist, aber er wird
sich erholen.«
»Und Antoinette?«, fragte Clavain.
»Auch ihr ist weiter nichts passiert. Ein paar Schnittwunden
und Prellungen, aber nichts Ernstes. Sie wird bald hier
sein.«
Clavain ließ sich gegenüber von Scorpio auf dem dritten
Thronsessel nieder. »Mir ist schon ein Rätsel, wie Xavier
und Antoinette hierher kommen, aber bei dir…«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Scorpio.
»Ich habe viel Zeit. Warum beginnen wir nicht am Anfang?
Solltest du nicht in einer Zelle sitzen?«
H schaltete sich ein. »Die Sache ist ziemlich kompliziert,
Mr. Clavain. Wenn ich recht verstanden habe, waren die Synthetiker
mit Scorpio auf dem Weg ins innere System, um ihn den Behörden
auszuliefern.«
Xavier sah das Schwein an, als hätte er es noch nie gesehen.
»Ich dachte, H hätte einen Scherz gemacht, als er Sie
Scorpio nannte. Aber es war sein voller Ernst, nicht wahr? Ich
werd’ verrückt. Sie sind es, Sie sind der Scorpio, hinter dem die Behörden schon die ganze Zeit her
sind. Ich fasse es nicht!
»Ihr Ruf eilt Ihnen voraus«, sagte H zu dem Schwein.
»Was, zum Teufel, hatten Sie denn im Karussell New
Copenhagen zu suchen?«, fragte Xavier und ließ sich in
seinem Sessel zurücksinken. Es war ihm sichtlich nicht geheuer,
sich mit Scorpio in einem Gebäude und noch dazu im gleichen Raum
aufzuhalten.
»Ich war hinter ihm her«, sagte Scorpio und deutete mit
einem Nicken auf Clavain.
Jetzt war es Clavain, der überrascht blinzelte. »Hinter
mir?«
»Die Spinnen haben mir ein Angebot gemacht. Sie sagten, sie
würden mich laufen lassen, ohne mich auszuliefern, aber ich
müsste ihnen helfen, Sie aufzuspüren, nachdem Sie ihnen
entwischt waren. Sollte ich da vielleicht nein sagen?«
»Scorpio wurde mit falschen Papieren ausgestattet, die
immerhin so gut waren, dass er nicht sofort verhaftet wurde«,
erläuterte H. »Ich glaube, Ihre Leute meinten es auch ernst
mit dem Versprechen, ihn auf freien Fuß zu setzen, nachdem er
ihnen geholfen hätte, Sie in den Schoß der Gemeinschaft
zurückzuholen.«
»Aber ich verstehe immer noch nicht…«
»Scorpio und sein Partner – ein Synthetiker –
verfolgten Ihre Spur, Mr. Clavain. Natürlich landeten sie bei
Antoinette Bax. So wurde Xavier in die unselige Geschichte
verwickelt. Es kam zum Kampf, und dabei wurde das Karussell nicht
unerheblich beschädigt. Der Konvent hatte ohnehin schon ein Auge
auf Antoinette geworfen, und so dauerte es nicht lange, bis man ihr
Schiff ausfindig machte. Als eine Drohne des Konvents die Sturmvogel enterte, wurden mehrere Personen verletzt, unter
ihnen Scorpio.«
Clavain runzelte die Stirn. »Das erklärt immer noch
nicht wie sie… oh, warten Sie. Sie hatten sie
beschattet?«
H nickte – nicht ohne Stolz, dachte Clavain. »Ich hatte
erwartet, dass Ihnen die Synthetiker jemand hinterherschicken
würden. Nur aus Neugier beschloss ich, die Verfolger ebenfalls
hierher zu bringen, um herauszufinden, welche Rolle sie in der ganzen
seltsamen Affäre spielten. Ich postierte meine Schiffe im
Umkreis von Copenhagen und wartete, bis etwas Ungewöhnliches
passierte – insbesondere etwas, das mit Antoinette Bax zu tun
hatte. Ich bedauere nur, dass wir nicht früher eingegriffen
haben, dann wäre vielleicht nicht ganz so viel Blut vergossen
worden.«
Hinter ihm klickte es, als hätte jemand ein Metronom
eingeschaltet. Clavain drehte sich um. Eine Frau auf
Pfennigabsätzen kam, von einem weiten schwarzen Umhang wie von
einer Gewitterwolke umweht, auf ihn zu. Er erkannte sie.
»Da bist du ja, Zebra«, sagte H lächelnd.
Zebra trat zu ihm und umarmte ihn. Sie küssten sich wie ein
Liebespaar.
»Brauchst du nicht etwas Ruhe?«, fragte H. »Zwei
anspruchsvolle Aufträge an einem Tag…«
»Mir geht es gut und den Geschwätzigen Zwillingen
auch.«
»Hast du dich… hm… um den Angestellten des Konvents
gekümmert?«
»Den haben wir uns vorgenommen. Möchtest du ihn
sehen?«
»Vielleicht hätten meine Gäste ihre Freude daran.
Warum nicht?« Er zuckte die Achseln, als ginge es nur darum, den
Fünf-Uhr-Tee jetzt oder lieber später einzunehmen.
»Ich hole ihn«, sagte Zebra, machte kehrt und entfernte
sich mit klappernden Absätzen.
Wieder waren Schritte zu hören. Eine, nein, zwei Personen,
dachte Clavain, aber mit nahezu synchronen Bewegungen. Es waren die
beiden Riesen ohne Mund. Sie schoben einen Rollstuhl zwischen die
beiden Sofas.
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