Die Arche
nahm alle Kräfte für einen
letzten Rettungsversuch zusammen.
Kapitel 23
Der ratternde Fahrstuhl brachte Clavain und H aus dem Keller des
Château wieder nach oben. Unterwegs ließ sich Clavain
durch den Kopf gehen, was ihm der geheimnisvolle Fremde gezeigt und
erzählt hatte. Unter anderen Umständen wäre ihm die
Geschichte von Sukhoi und Mercier als wenig glaubwürdig
erschienen. Aber er spürte Hs Aufrichtigkeit, und der leere Raum
war so bedrückend gewesen, dass er das Ganze nicht so ohne
weiteres abtun konnte. Sich einzureden, H hätte ihm die
Geschichte nur erzählt, um mit ihm zu spielen, wäre viel
tröstlicher gewesen. Gerade deshalb entschied sich Clavain
vorerst für den beschwerlicheren Weg, wie auch H es getan hatte,
als er Sukhois Behauptungen überprüfte.
Clavain hatte die Erfahrung gemacht, dass sich von zwei
Möglichkeiten im Allgemeinen die weniger erfreuliche als die
richtige herausstellte. So funktionierte nun einmal das
Universum.
Auf der Fahrt wurde wenig gesprochen. Clavain war immer noch
überzeugt, eine Fluchtmöglichkeit finden und zu den
Demarchisten überlaufen zu müssen. Allerdings musste er
nach allem, was H ihm bisher enthüllt hatte, wohl oder übel
einsehen, dass er noch längst nicht bis auf den Grund des
Geschehens vorgedrungen war.
Skade verfolgte nicht nur ihre eigenen Ziele und auch nicht die
Ziele einer Horde anonymer Synthetiker, sondern arbeitete aller
Wahrscheinlichkeit nach für die Mademoiselle, die von jeher
danach gestrebt hatte, ihren Einfluss auf das Mutternest auszudehnen.
Und die Mademoiselle war eine unbekannte Größe. Mit ihr
hatte Clavain keinerlei Erfahrung. Allerdings war sie, genau wie H,
offensichtlich so sehr an der Alien-Made und ihrer Technologie
interessiert gewesen, dass sie das Wesen ins Château gebracht
und sogar gelernt hatte, sich mit ihm zu verständigen. Jetzt war
sie zwar tot, aber Skade könnte zu einem so willigen Werkzeug
geworden sein, dass sie und die Mademoiselle nicht mehr auseinander
zu halten waren.
Das Netzwerk, das Clavain hier zu erkennen glaubte, war weiter
gespannt – und reichte weiter zurück –, als er sich
jemals hatte träumen lassen.
Aber das ändert nichts, dachte er. In erster Linie
ging es immer noch darum, die Weltraumgeschütze in die Hand zu
bekommen. Wer immer Skade manipulierte, dem waren diese Waffen
wichtiger als alles andere.
Und deshalb muss ich sie mir holen.
Der Fahrstuhl kam klirrend zum Stehen. H öffnete das
Scherengitter und führte Clavain durch eine weitere Serie von
Marmorkorridoren in ein Hotelzimmer von geradezu absurden
Ausmaßen. Die niedrige, reich mit Stuck verzierte Decke
erstreckte sich bis ins Unendliche. Verschiedene
Möbelstücke und Dekorationsgegenstände waren wie in
einem Museum geschmackvoll verteilt: ein schwarzer Konzertflügel
mit aufgeklapptem, keilförmigem Deckel; eine Standuhr, die in
der Mitte des Raumes stand, als hätte sie auf dem Weg von einer
Wand zur anderen plötzlich innegehalten; mehrere abstrakte
Alabaster-Skulpturen auf schwarzen Sockeln; zwei Sofas mit
Löwenfüßen und purpurroter Samtpolsterung und drei
riesige goldene Thronsessel.
Zwei von den drei Sesseln waren besetzt. In einem saß ein
Schwein, das wie H einen schlichten schwarzen Kittel und schwarze
Hosen trug. Clavain runzelte verwirrt die Stirn. Er war nicht ganz
sicher, aber das Schwein sah aus wie Scorpio, der Gefangene, den er
zuletzt im Mutternest gesehen hatte. Auf dem zweiten Sessel saß
Xavier, der junge Mechaniker vom Karussell New Copenhagen. Clavain zermarterte sich den Kopf, aber er konnte sich kein
Szenarium vorstellen, das erklärt hätte, wie die beiden
zusammen hierher gekommen waren.
»Muss ich Sie miteinander bekannt machen?«, fragte H.
»Ich glaube nicht, aber nur zur Sicherheit – Mr. Clavain,
das sind Scorpio und Xavier Liu.« Er nickte Xavier zu. »Wie
fühlen Sie sich jetzt?«
»Mir geht es wieder gut«, sagte Xavier.
»Mr. Liu hatte einen Herzanfall, nachdem er an Bord von
Antoinette Bax’ Raumschiff Sturmvogel mit einem Taser
angegriffen worden war. Die Waffe war so eingestellt, dass sie eine
Hamadryade umgeworfen hätte, von einem Menschen ganz zu
schweigen.«
»Angegriffen?«, fragte Clavain eher
höflichkeitshalber.
»Durch einen Vertreter des Ferrisville-Konvents. Oh, keine
Sorge, das betreffende Individuum wird so etwas nicht wieder tun.
Genauer gesagt, wird es überhaupt nichts mehr tun.«
»Haben Sie den Kerl getötet?«, fragte Xavier.
»Nicht
Weitere Kostenlose Bücher