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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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ragte. Nur noch
ein kräftiger Schubs, und ihr Vater hätte das
Begräbnis, das er sich gewünscht hatte.
    Es war Wahnsinn. In all den Jahren nach diesem bierseligen
Gespräch in der Raumfahrerkneipe hatte er nie wieder davon
gesprochen, in diesem Gasriesen beigesetzt werden zu wollen. Aber
konnte man daraus schließen, es sei nicht sein Herzenswunsch
gewesen? Er hatte schließlich nicht gewusst, wann er sterben
würde. Er hatte vor dem Unfall keine Zeit mehr gefunden, seine
Angelegenheiten zu ordnen; und er hatte auch keinen Anlass gesehen,
ihr geduldig zu erklären, wie sie mit seinen sterblichen
Überresten verfahren sollte.
    Wahnsinn, ja… aber ein Wahnsinn, der von Herzen kam.
    Sie stieß den Sarg über die Kante.
    Einen Moment lang schwebte er reglos hinter dem Schiff, als wollte
er den langen Sturz ins Vergessen hinauszögern. Dann sank er
langsam, vom Wind gebremst, in die Tiefe. Sie sah ihm nach. Er wurde
rasch kleiner, erst war er noch so groß wie ihr Daumen; dann
ein winziger Bindestrich an der Grenze zur Unsichtbarkeit; und
schließlich ein Pünktchen auf dem Weg durch die wogenden
pastellfarbenen Wolkenschichten, das nur hin und wieder schwach im
Sternenlicht aufblitzte.
    Einmal sah sie es noch funkeln, dann war er fort.
    Antoinette lehnte sich mit dem Rücken an das Gitter. Die
große Tat war vollbracht, sie hatte ihren Vater beigesetzt, und
jetzt überfiel sie eine tiefe Müdigkeit, auf die sie nicht
gefasst war. Die Luftmassen lasteten wie Blei auf ihren Schultern.
Sie war eigentlich nicht traurig, und sie vergoss auch keine
Tränen mehr. Sie hatte schon genug geweint, und später
würde sie sicher wieder weinen. Jetzt fühlte sie sich nur
zu Tode erschöpft.
    Antoinette schloss die Augen. Minuten vergingen.
    Dann befahl sie Biest, die Frachtluke zu schließen, und
machte sich auf den langen Weg zurück zum Flugdeck.

 
Kapitel 3

     
     
    Nevil Clavain stand in einer Luftschleuse und beobachtete, wie
sich im Rumpf der Nachtschatten eine kreisrunde Irisblende
auftat. Heraus quoll eine Schar von gepanzerten Drohnen, die mit
ihren Rückenschilden, den Körpersegmenten und den
unzähligen, mit Waffen und Sensoren besetzten Spezialgliedern an
weiße Läuse erinnerten. Sie schwebten rasch durch den
Weltraum auf das feindliche Schiff zu und hefteten sich mit klebrigen
Beinen an den klauenförmigen Rumpf, um auf der Suche nach den
Zugangsschleusen und den bekannten Schwachstellen dieser Bauserie
über die beschädigte Oberfläche zu huschen.
    Die Drohnen bewegten sich so planlos wie richtige Insekten. Sie
hätten auch sehr viel schneller in das Schiff eindringen
können, aber dabei wären womöglich alle
Überlebenden, die sich in belüftete Bereiche gerettet
hatten, ums Leben gekommen. So verlangte Clavain, dass sie die
Luftschleusen benützten, auch wenn es ziemlich lange dauerte,
bis ein Roboter nach dem anderen sie passiert hatte.
    Seine Sorge erwies sich als unbegründet. Als die erste Laus
im Schiffsinnern angekommen war, zeigte sich, dass sie weder auf
bewaffneten Widerstand, noch auf Überlebende stoßen
würde. Alles war dunkel, kalt und still. Clavain glaubte den Tod
förmlich zu riechen. Die Drohne schlich vorsichtig an den
einzelnen Wachstationen vorbei, und bald kamen die ersten Toten in
Sicht. Andere Roboter, die das übrige Schiff durchkämmten,
schickten ähnliche Bilder.
    Clavain rief den Großteil der Läuse zurück und
schickte auf dem gleichen Weg, den sie genommen hatten, einen kleinen
Trupp Synthetiker in das Schiff. Durch die Augen einer Drohne
verfolgte er, wie einer nach dem anderen die Schleuse verließ,
unförmig, weiß und scharfkantig wie Plastikgespenster.
    Der Trupp nahm den gleichen Weg wie zuvor die Drohnen, und
zwängte sich wie sie durch die engen Zwischenräume, aber
die Menschen veranstalteten eine gründlichere Suche. Sie hielten
ihre Gewehrläufe in jedes denkbare Versteck, öffneten
sämtliche Stauräume und kontrollierten, ob nicht ein
Überlebender hinter der Luke kauerte. Die Toten wurden behutsam
angestoßen, aber man fand keinen einzigen Simulanten. Die
Körper kühlten bereits ab, die Wärmesignaturen um die
Gesichter zeigten an, dass der Tod erst vor kurzem eingetreten war.
Verletzungen oder Spuren von Gewalteinwirkung waren nicht zu
sehen.
    Er verfasste einen Gedanken und schickte ihn an Skade und
Remontoire, die noch auf der Brücke waren. Ich gehe hinein.
Bitte kein Wenn und Aber. Ich werde mich beeilen und keine
unnötigen Risiken eingehen.
    [Nein,

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