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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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bitte, wenn es so weit ist.«
    Sie hatte Protest erwartet, aber der blieb aus. Das Schiff sackte
ab. Ihr Gleichgewichtsorgan hatte Mühe, Bremsverzögerung
und Sinkflug auseinander zu halten. Die Sturmvogel flog jetzt
eigentlich nicht mehr. Dank ihrer Form erzeugte sie wenig
aerodynamischen Auftrieb, folglich konnte sie ihre Höhe nur
halten, wenn sie Schub nach unten gab. Bisher hatte das Vakuum im
Rumpf ein wenig mitgeholfen, aber sie hatte nie vorgehabt, mit einem
luftleeren Rumpf tiefer hinunter zu gehen.
    Antoinette wusste nur zu gut, dass sie im Grunde kein Recht mehr
hatte, noch am Leben zu sein. Die demarchistische
Schiffsführerin hätte sie abschießen müssen. Das
Spinnenschiff hinter ihr hätte angreifen müssen, bevor sie
in der Atmosphäre verschwinden konnte. Und auch der Sturzflug
selbst hätte tödlich sein müssen. Es war kein sanftes,
kontrolliertes Eintauchen gewesen, wie sie es immer geplant hatte,
vielmehr hatte sie sich Hals über Kopf in den Wirbeltrichter
gestürzt, den das Demarchisten-Schiff hinter sich her zog.
Sobald sie wieder auf ebenem Kiel flog, hatte sie eine
Schadensbeurteilung vorgenommen, und das Ergebnis war nicht
ermutigend. Falls sie den Rostgürtel erreichte, was
keineswegs sicher war – schließlich lauerten draußen
immer noch die Spinnen –, hätte Xavier in den kommenden
Monaten alle Hände voll zu tun.
    Dann käme er wenigstens nicht auf dumme Gedanken.
    »Unterschallgeschwindigkeit erreicht, Kleine Miss«,
meldete Biest.
    »Gut.« Antoinette vergewisserte sich zum dritten Mal,
dass sie selbst ebenso fest mit dem Gitter verbunden war wie der
Sarg, und kontrollierte die Einstellungen ihres Raumanzugs.
»Würdest du bitte die Frachtluke Eins
öffnen?«
    »Augenblick noch, Kleine Miss.«
    Auf ihrer Seite des Gitters erschien ein greller Lichtstreifen.
Sie kniff die Augen zusammen, hob die Hand und zog die
flaschengrüne Lichtschutzblende über das Helmvisier.
    Der Lichtstreifen wurde breiter, dann wurde sie mit voller Wucht
gegen eine Gitterstrebe geschleudert. Binnen weniger Sekunden fegte
die einströmende Luft mit lautem Getöse bis in den
hintersten Winkel des Frachtraums. Die Sensoren ihres Raumanzugs
analysierten die Zusammensetzung und warnten Antoinette eindringlich
davor, den Helm zu öffnen. Der Druck lag zwar inzwischen
über einer Atmosphäre, aber das Gasgemisch war hochgiftig
und so kalt, dass sie ihr die Lungen zerrissen hätte.
    Ein Gebräu aus tödlichen Giftgasen mit schockierend
hohen Temperaturgradienten war wohl der Preis für die herrlichen
Farben, die man aus dem All beobachten konnte.
    »Bring uns noch zwanzig Kilometer tiefer«, sagte
sie.
    »Willst du das wirklich, Kleine Miss?«
    »Ja, verdammt!«
    Das Schiff sackte ab. Auf dem Anzugbarometer konnte sie
beobachten, wie der Luftdruck Strich für Strich anstieg. Erst
auf zwei Atmosphären, dann auf drei, vier, Tendenz steigend.
Hoffentlich wurde der Rest der Sturmvogel, der jetzt unter
negativem Druck stand, nicht wie eine nasse Papiertüte
zusammengeknüllt.
    Was immer jetzt noch passiert, dachte Antoinette, die
Garantieansprüche an den Schiffsbauer habe ich mir
wahrscheinlich schon versaut…
    Als ihr Selbstvertrauen wieder gestiegen oder vielmehr ihr Puls
auf halbwegs normale Werte gefallen war, näherte sie sich mit
dem Sarg vorsichtig der offenen Luke. Es war ein mühseliges
Geschäft, denn sie musste sich und den Behälter alle paar
Meter wieder neu am Gitter befestigen. Aber sie hatte es wahrhaftig
nicht eilig.
    Wenn sie jetzt, nachdem ihre Augen sich umgestellt hatten, nach
vorne schaute, war das Licht gedämpft und silbergrau wie bei
bedecktem Himmel. Allmählich wurde es matter, wie Eisen etwa
oder wie dunkle Bronze. Epsilon Eridani war an sich schon kein sehr
heller Stern, und die Atmosphäreschichten über ihr
schluckten obendrein viel von seinem Licht. Wenn sie noch tiefer
ginge, würde es immer dunkler werden, bis man sich vorkäme
wie auf dem Grund eines Meeres.
    Das hatte ihr Vater gewollt.
    »Gut, Biest, jetzt halte sie schön ruhig. Gleich ist es
so weit.«
    »Nimm dich in Acht, Kleine Miss.«
    Die Sturmvogel hatte viele Frachtluken, aber die eine, die
jetzt offen stand, befand sich in der Unterseite des Schiffes und
schaute in Flugrichtung nach hinten. Antoinette war am Ziel. Die
Spitzen ihrer Stiefel ragten zwei Zentimeter über den Rand. Ein
Schwindel erregendes Gefühl, aber sie war immer noch fest am
Gitter verankert. Der Blick nach oben wurde durch den dunklen, zum
Heck hin

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