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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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haben?«
    »Kannst du dir das nicht denken? Er liebte schließlich
nicht nur seinen Freund, sondern auch seine Tochter. Und auf diese
Weise konnte er euch beide schützen.«
    »Wie meinst du das, Xave?«
    »Wenn Lyle Merrick nicht mitgespielt hätte, wäre er
ein toter Mann gewesen. Dein Vater hatte nicht vor, Kopf und Kragen
zu riskieren, indem er die Simulation irgendwo anders versteckte.
    Auf diese Weise brachte das Geschäft auch Jim etwas mehr ein
als nur die Genugtuung, einen Teil seines Freundes gerettet zu
haben.«
    »Nämlich?«
    »Jim nahm Lyle das Versprechen ab, auf dich aufzupassen, wenn
er selbst nicht mehr wäre.«
    »Nein«, sagte Antoinette tonlos.
    »Du solltest es irgendwann erfahren. Das war immer so
geplant. Aber die Jahre vergingen, und dann starb Jim…«
Xavier schüttelte den Kopf. »Das ist wirklich nicht so
einfach für mich. Was glaubst du, wie mir dabei zumute war? Ich
wusste die ganze Zeit über Bescheid. Sechzehn verdammte Jahre,
Antoinette. Ich war ein grüner Junge, als mich dein Vater damals
einstellte, damit ich ihm bei der Sturmvogel half.
Natürlich musste ich von Lyle erfahren.«
    »Ich kann dir nicht folgen. Was meinst du mit ›auf mich
aufpassen‹?«
    »Jim wusste, dass er nicht ewig leben würde, und er
liebte dich mehr als… nun ja…« Xavier verstummte.
    »Ich weiß, dass er mich liebte«, sagte Antoinette.
»Es war ja nicht so, als hätten wir eine von diesen
gestörten Vater-Tochter-Beziehungen gehabt, wie man sie immer in
den Holo-Shows sieht. All diesen Mist von wegen ›du hast mir nie
gesagt, wie sehr du mich liebst‹. Wir kamen wirklich verdammt
gut miteinander aus.«
    »Ich weiß. Das war ja der springende Punkt. Jim machte
sich Gedanken darüber, was nach seinem Tod aus dir werden
sollte. Er wusste, dass du das Schiff erben wolltest. Das konnte er
nicht verhindern und wollte es auch nicht. Verdammt, er war
doch stolz auf dich. Und wie. Er behauptete immer, du würdest
einen besseren Piloten abgeben, als er es jemals war, und er war
verdammt sicher, dass du mehr Geschäftssinn hättest als
er.«
    Antoinette unterdrückte ein Lächeln. Von ihrem Vater
hatte sie dergleichen oft genug gehört, aber es klang auch nicht
schlecht, wenn jemand anderer es sagte; es war ein Beweis –
falls sie den noch brauchte – dass Jim Bax es wirklich ernst gemeint hatte.
    »Und?«
    Xavier zuckte die Achseln. »Der Mann wollte trotzdem die Hand
über seine Tochter halten. Ist das vielleicht ein
Verbrechen?«
    »Ich weiß es nicht. Wie lautete die Vereinbarung denn
genau?«
    »Lyle durfte auf der Sturmvogel wohnen. Jim sagte, er
müsse die Rolle der alten Gamma-Simulation spielen; du
dürftest nie dahinterkommen, dass du einen, nun ja, einen
Schutzengel hättest, der über dich wachte. Lyle sollte auf
dich aufpassen und dich aus allzu großen Schwierigkeiten
heraushalten. Eine vernünftige Idee übrigens. Lyle hatte
einen starken Selbsterhaltungstrieb.«
    Sie erinnerte sich, wie oft Biest versucht hatte, ihr irgendetwas
auszureden. Sie hatte immer geglaubt, die Unterpersönlichkeit
hätte einen überentwickelten Beschützerinstinkt. Und
sie hatte Recht gehabt. Ins Schwarze getroffen. Nur nicht ganz so,
wie sie gedacht hatte.
    »Und Lyle war damit so ohne weiteres einverstanden?«,
fragte sie.
    Xavier nickte. »Du musst das verstehen. Lyle war voll auf dem
Schuld-und-Sühne-Trip. Er hatte ein entsetzlich schlechtes
Gewissen, weil seinetwegen so viele Menschen gestorben waren. Eine
Weile weigerte er sich überhaupt zu laufen – ständig
schaltete er auf Sparmodus oder bekniete seine Freunde, ihn zu
löschen. Der Mann wollte sterben.«
    »Aber er hat es nicht getan.«
    »Weil Jim seinem Leben wieder einen Sinn gab. Er konnte etwas
bewirken, indem er auf dich aufpasste.«
    »Und dieses ›Kleine Miss‹-Getue?«
    »Gehörte zur Rolle. Eins muss man dem Typen lassen, er
hat ziemlich lange durchgehalten, findest du nicht? Bis die Kacke am
Dampfen war. Dass er dann die Nerven verloren hat, kannst du ihm
nicht verdenken.«
    »Wohl nicht.« Antoinette stand auf.
    Xavier sah sie erwartungsvoll an. »Dann… dann ist wieder
alles o.k.?«
    Sie drehte sich um und sah ihm fest in die Augen. »Nein,
Xave, es ist nicht o.k. Ich kann es verstehen, ich kann sogar
verstehen, warum du mich all die Jahre über belogen hast. Aber
deshalb ist es noch lange nicht in Ordnung.«
    »Es tut mir Leid«, sagte er und starrte in seinen
Schoß. »Aber ich habe nicht mehr getan, als deinem Vater
ein Versprechen zu

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