Die Arche
geben, Antoinette.«
»Es ist nicht deine Schuld«, sagte sie.«
* * *
Später schliefen sie miteinander. Es war so schön wie
immer, vielleicht sogar noch schöner, weil in ihrem Bauch noch
immer ein emotionales Feuerwerk nach dem anderen abging. Sie hatte
Xavier nicht belogen. Seit sie seine Version der Geschichte
gehört hatte, verstand sie, dass er ihr niemals die Wahrheit
hätte sagen können, oder erst, nachdem sie das meiste
selbst herausgefunden hatte. Sie war selbst auf ihren Vater nicht
allzu böse. Er hatte seine Freunde nie im Stich gelassen, und er
hatte immer große Stücke auf seine Tochter gehalten. Jim
Bax war sich nur selbst treu geblieben.
Doch das machte die Wahrheit nicht leichter zu ertragen. Wenn sie
daran dachte, wie viel Zeit sie allein auf der Sturmvogel verbracht hatte, ohne zu wissen, dass Lyle Merrick da war, dass
er sie verfolgte, vielleicht sogar beobachtete, fühlte
sie sich verraten und so unsäglich töricht, dass es ihr das
Herz zerriss.
Sie glaubte nicht, dass sie darüber jemals hinwegkommen
würde.
Einen Tag später stattete Antoinette der Sturmvogel abermals einen Besuch ab. Sie dachte, wenn sie das Schiff
bestiege, könnte sie sich vielleicht überwinden, dem
einzigen Menschen im Universum, dem sie jemals bedingungslos vertraut
hatte, seine Lüge zu verzeihen. Dass es eine wohlmeinende
Lüge gewesen war, die nur den Zweck hatte, sie zu schützen,
fiel kaum ins Gewicht.
Doch als Sie vor dem Gerüst stand, in dem die Sturmvogel hing, konnte sie nicht weitergehen. Sie schaute empor, aber alles
wirkte bedrohlich und fremd. Das war nicht mehr ihr Schiff, und sie
wollte nichts mehr damit zu tun haben.
Antoinette weinte. Was man ihr gestohlen hatte, war
unwiederbringlich verloren. Sie wandte sich ab und verließ die
Shuttle-Bucht.
* * *
Sobald die Entscheidung gefallen war, ging alles erstaunlich
rasch. Skade nahm die Beschleunigung auf ein Ge zurück und wies
die Techniker an, die Blase auf Unterbakteriengröße zu
kontrahieren und nur mit einem dünnen Energierinnsal in Gang zu
halten. Auf diese Weise konnten sie große Teile der Anlage
abschalten. Dann gab sie mit den Informationen, die sie aus Exordium
gewonnen hatte, einen Befehl, der eine drastische Umgestaltung des
Schiffes auslöste.
Im hinteren Teil der Nachtschatten befanden sich viele
Lager mit seuchenfesten Nanomaschinen, dunkle, mit Stämmen von
einfacheren Replikatoren vollgestopfte Kammern. Skades Befehl setzte
diese Maschinen frei. Sie waren darauf programmiert, sich so lange zu
vervielfältigen und zu diversifizieren, bis ein ätzender
Schleim aus mikroskopisch kleinen, Materie transformierenden
Maschinen entstanden war. Der Schleim breitete sich aus, besetzte
jede Nische im hinteren Teil des Schiffes, verschlang alles Material
und gab es verändert wieder ab. Viele Teile der Anlage wurden
ebenfalls von den Transformationen erfasst. Die Replikatoren
erzeugten daraus glänzend schwarze Strukturen, Bögen und
Schrauben aus feinen Fäden, die wie Stacheln oder Tentakel
hinter dem Schiff ins All ragten. Sie waren mit
knötchenförmigen Gebilden besetzt, die aussahen wie
schwarze Saugrohre oder Giftsäcke und prall mit Hilfsanlagen
gefüllt waren. Wenn die Anlage in Betrieb war, bewegten sich
diese Arme mit hypnotisierenden Sensenschwüngen durch die Leere
und beschworen innerhalb ihres Aktionsraums eine quark-große
Tasche Quantenvakuum im Zustand Vier herauf. Eine Vakuumtasche, in
der die träge Masse in einem streng mathematischen Sinn
imaginär war.
Die quarkgroße Blase zuckte und schwankte, dann vollzog sie
einen inflationären Phasenübergang in makroskopische
Dimensionen und verschlang – in einer Zeitspanne, die kleiner als die Planck-Zeit war – das gesamte Raumschiff. Die
Maschinen, die die Blase auch weiterhin kontrollieren sollten, waren
auf unglaublich feine Toleranzen bis hinunter zur Schwelle der
Heisenbergschen Unschärfe ausgelegt. Niemand wusste, ob das
notwendig war. Skade wollte nicht hinterfragen, was ihr Exordiums
Flüsterstimmen verraten hatten. Sie konnte nur hoffen, dass
etwaige Abweichungen die Funktion der Anlage nicht
beeinträchtigen oder jedenfalls nicht so tiefgreifend
beeinträchtigen würden, dass sie den Betrieb einstellte.
Die Vorstellung, dass sie zwar funktionierte, aber nicht so wie
gewünscht, war zu grauenvoll, als dass man sie in Betracht
gezogen hätte.
Doch beim ersten Mal passierte gar nichts. Die Anlage war
hochgefahren, und die Sensoren hatten im Quantenvakuum
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