Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
grauenvolle
Vernichtungswaffen geschaffen? Es gab nur eine Erklärung: sie
hatten irgendwann die Absicht verfolgt, sie einzusetzen.
Womöglich sogar gegen die Menschheit?
    Jedes Geschütz war von einem Gerüst mit Steuerdüsen
und Zielsuchsystemen sowie einer kleinen Zahl von Verteidigungswaffen
zu seinem eigenen Schutz umgeben. Diese Gerüste bewegten die
Geschütze durch den Raum und hätten sie im Grunde
überall im System stationieren können, nur waren sie
für Volyovas Vorhaben nicht schnell genug. So hatte sie in
jüngster Zeit an den Ecken aller Gerüste Schleppraketen
angebracht, acht pro Weltraumwaffe, vierundsechzig insgesamt. Damit
ließen sich die acht auserwählten Geschütze in
weniger als dreißig Tagen ans andere Ende des Systems
befördern.
    Sie schob sich mit dem Shuttle an die Gruppe heran. Sobald die
Sensoren sie registrierten, veränderten die Geschütze ihre
Position. Sie glitt zwischen ihnen hindurch, flog einen weiten Bogen,
bremste ab und griff auf die Systeme zu, bei denen der Captain
Probleme festgestellt hatte. Knappe, aber aussagekräftige
Diagnoseberichte scrollten über ihr Armband. Sie sprach jedes
Waffensystem einzeln an und kontrollierte aufmerksam die
Ergebnisse.
    Etwas stimmte nicht.
    Anders ausgedrückt, es stimmte alles. Mit keinem der acht
Geschütze gab es irgendwelche Probleme.
    Wieder spürte sie dieses Prickeln. Sie ahnte, dass sie
manipuliert worden war, dass ein anderer für sie entschieden
hatte. Die Geschütze waren vollkommen in Ordnung; nichts wies
auf eine vorübergehende oder dauernde Störung hin. Das
konnte nur bedeuten, dass der Captain sie belogen hatte: dass er
Fehler gemeldet hatte, wo keine waren.
    Sie zwang sich zur Ruhe. Warum hatte sie ihm nur geglaubt? Warum
hatte sie sich nicht selbst vergewissert, bevor sie das Schiff
verließ…
    »Captain…«, begann sie zögernd.
    »Ja, Ilia?«
    »Captain, ich bekomme hier sehr komische Werte. Danach
funktionieren alle Geschütze einwandfrei, es gibt keinerlei
Probleme.«
    »Ich bin sicher, dass die Störungen nur
vorübergehend waren, Ilia.«
    »Wirklich?«
    »Gewiss doch, Ilia. Ganz bestimmt.« Es klang nicht
restlos überzeugt. »Warum hätte ich sie sonst
gemeldet?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil Sie mich aus
irgendeinem Grund nicht mehr im Schiff haben wollten?«
    »Wie käme ich dazu, Ilia?« Das klang empört,
aber weniger empört, als ihr lieb gewesen wäre.
    »Ich weiß es nicht. Aber ich habe den schrecklichen
Verdacht, dass ich es bald erfahren werde.
    Sie sah, wie eines der Weltraumgeschütze – es war Nummer
Einunddreißig, die Waffe, die mit Quintessenz-Energie betrieben
wurde – seitlich aus der Gruppe ausbrach und sich mit Funken
sprühenden Steuerdüsen entfernte. Trotz seiner gewaltigen
Masse glitt es mühelos dahin. Ilia sah auf ihr Armband.
Gyroskope begannen sich zu drehen und bewegten das Gerüst um
sein Schwerkraftzentrum. Gemächlich wie ein riesiger
Eisenfinger, der auf einen Angeklagten deuten wollte, wählte die
riesige Waffe ihr Ziel.
    Und dieses Ziel war die Sehnsucht nach Unendlichkeit.
    Ilia Volyova verfluchte sich. Sie war so dumm gewesen! Jetzt, viel
zu spät, durchschaute sie den ganzen Plan.
    Der Captain war dabei, sich umzubringen.
    Sie hätte damit rechnen müssen. Das Erwachen aus der
Katatonie war nur ein Trick gewesen. Er hatte die ganze Zeit an
Selbstmord gedacht, um seinem elenden Dasein endlich ein Ende zu
machen. Und sie hatte ihm das ideale Werkzeug geliefert. Sie hatte
ihn angefleht, ihr den Einsatz der Weltraumgeschütze zu
ermöglichen, und er hatte ihr – allzu bereitwillig, wie ihr
jetzt klar wurde – den Wunsch erfüllt.
    »Captain…«
    »Es tut mir Leid, Ilia. Aber ich muss es tun.«
    »Das ist nicht wahr. Sie müssen gar nichts
tun.«
    »Sie verstehen mich nicht. Ich weiß, Sie geben sich
Mühe, sie glauben auch, Sie könnten sich in mich
hineinversetzen, aber Sie können nicht wissen, wie es
ist.«
    »Captain… hören Sie mir zu. Wir können
darüber reden. Was immer es ist, was Sie für so
unerträglich halten, man kann doch wenigstens darüber
sprechen.«
    Das Geschütz wurde langsamer. Die blumenförmige
Mündung zeigte schon fast auf den undeutlich erkennbaren
Lichtschiffrumpf.
    »Gespräche sind schon lange keine Hilfe mehr,
Ilia.«
    »Wir werden einen Weg finden«, sagte sie verzweifelt,
obwohl sie selbst nicht daran glaubte. »Wir werden einen Weg
finden, um Sie wieder zu dem zu machen, was Sie einst waren: ein
Mensch.«
    »Reden Sie keinen

Weitere Kostenlose Bücher