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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Ultras, die ich
kenne«, sagte Clavain. »Sie hatte keinerlei Implantate,
sonst hätte sie es bestimmt besser überstanden. Zumindest
hätten die Nanomaschinen ihr Gehirn geschützt. Aber sie
hatte keine. Soviel ich weiß, konnte sie die Vorstellung nicht
ertragen, etwas in sich eindringen zu lassen.«
    Khouri sah die Beta-Kopie an. »Was haben Sie getan,
Clavain?«
    »Was nötig war. Ich wurde aufgefordert, mein
Möglichstes zu tun. Und was lag näher, als ihr eine Dosis
Nanomaschinen zu injizieren?«
    »Warten Sie.« Khouri hob die Hand. »Wer hat Sie
wozu aufgefordert?«
    Clavain kratzte sich den Bart. »Auch das weiß ich nicht
genau. Ich fühlte einfach eine innere Verpflichtung. Sie
müssen verstehen, dass ich nur eine Computersimulation bin. Das
würde ich auch nie bestreiten. Deshalb ist es durchaus
möglich, dass mich jemand hochgefahren und meine Programmierung
so verändert hat, dass ich gezwungen war, bestimmte Handlungen
auszuführen.«
    Khouri und Thorn sahen sich an. Beide hatten den gleichen
Gedanken. Der Einzige, der Clavain wieder anschalten und dafür
sorgen hatte können, dass er Volyova half, war der Captain.
    Khouri überlief es eiskalt. Sie hatte ganz stark das
Gefühl, beobachtet zu werden »Clavain«, sagte sie.
»Hören Sie mir zu. Ich weiß nicht so recht, wer Sie
sind. Aber eines sollten Sie wissen: Ilia wäre lieber gestorben,
als sich das antun zu lassen.«
    »Ich weiß.« Clavain breitete in einer Geste der
Hilflosigkeit die Arme aus. »Aber ich konnte nicht anders. Denn
es ist genau das, was ich getan hätte, wäre ich als
Original hier gewesen.«
    »Sie meinen, Sie hätten sich auch dann über ihre
innersten Wünsche hinweggesetzt?«
    »Ja, wenn Sie es so ausdrücken wollen. Denn jemand hat
einmal das Gleiche für mich getan. Mir ging es damals wie ihr
– ich lag im Sterben. Ich war verwundet worden, aber ich wollte
auf keinen Fall diese widerlichen Maschinen in meinen Schädel
lassen. Lieber wollte ich tot sein. Aber jemand hat sie trotzdem in
mich hinein praktiziert. Und heute bin ich dankbar. Mir wurden
vierhundert Jahre Leben geschenkt, die ich sonst nicht gehabt
hätte.«
    Khouri sah auf das Bett nieder, auf die Frau, die darin lag, und
dann wieder zurück zu dem Mann, der ihr zwar vielleicht nicht
das Leben gerettet, aber doch den Zeitpunkt ihres Todes
hinausgezögert hatte.
    »Clavain…«, sagte sie. »Wer, zum Teufel, sind
Sie?«
    »Clavain ist Synthetiker«, sagte eine Stimme so
dünn wie Rauch. »Du solltest ihm genau zuhören, denn
er meint, was er sagt.«
    Volyova hatte gesprochen, obwohl sich die Gestalt auf dem Bett
nicht bewegt hatte. Der einzige Hinweis darauf, dass sie jetzt,
anders als beim Eintreffen der drei, bei Bewusstsein war, war eine
Veränderung in den biomedizinischen Strahlen über ihrem
Kopf.
    Khouri riss sich den Helm herunter. Clavain verschwand, der
Gitterroboter trat an seine Stelle. Sie legte den Helm auf den Boden
und kniete neben dem Bett nieder. »Ilia?«
    »Ja, ich bin es.« Die Stimme war rau wie Sandpapier.
Khouri sah, wie Volyova mit winzigen Lippenbewegungen die Worte
bildete, aber die Laute kamen irgendwo von der Decke.
    »Was ist passiert?«
    »Ein Unfall.«
    »Wir haben beim Anflug die Schäden am Rumpf gesehen.
Ist…«
    »Ja, es war eigentlich meine Schuld. Wie alles. Ich bin immer
an allem schuld. Verdammt, immer liegt es an mir.«
    Khouri sah sich nach Thorn um. »Deine Schuld?«
    »Ich habe mich reinlegen lassen.« Die Lippen
öffneten sich zu einem schwachen Lächeln. »Vom
Captain. Ich dachte, es wäre mir endlich gelungen, ihn zu
überzeugen, und wir dürften die Weltraumgeschütze
gegen die Unterdrücker einsetzen.«
    Khouri konnte sich fast schon vorstellen, wie es zugegangen sein
musste. »Wie hat er es angestellt…«
    »Ich veranlasste, dass acht von den Geschützen abgesetzt
wurden. Dabei kam es zu einer Störung. Ich hielt sie für
echt, aber in Wirklichkeit war sie inszeniert, um mich aus dem Schiff
zu locken.«
    Khouri senkte die Stimme, eine absurde Geste – es gab nichts,
was man jetzt noch vor dem Captain verbergen konnte –, aber sie
konnte nicht anders. »Er wollte dich töten?«
    »Nein«, antwortete Volyova mit zischender Stimme.
»Er wollte nicht mich töten, sondern sich selbst. Aber ich
sollte dabei sein. Als Zeugin.«
    »Warum?«
    »Er wollte mir zeigen, dass er bereute. Ich sollte begreifen,
dass es kein Unfall war.«
    Thorn trat zu ihnen. Auch er hatte den Helm abgenommen und ihn
unter einen Arm geklemmt.

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