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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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sehr törichte Person«,
sagte Remontoire. »Schade. Es wäre so viel einfacher, wenn
wir wie zivilisierte Menschen miteinander umgehen könnten. Nun
bleibt uns leider nichts anderes übrig, als Gewalt
anzuwenden.«
    »Da ist noch etwas«, fuhr der simulierte Clavain fort.
»Sie führen eine Evakuierung durch. Ihr habt bereits
gesehen, was die Wolfsmaschine mit der Sonne anstellt. Sie dringt mit
einer Sonde aus gebündelten Schwerkraftwellen in sie ein. Bald
wird sie den Kern des nuklearen Brennens erreicht haben und die
Energie im Herzen der Sonne freisetzen. Es ist, als bohre man ein
Loch in das Fundament eines Dammes, um Wasser freizusetzen, das unter
gewaltigem Druck steht. Nur wird es kein Wasser sein, sondern
Wasserstoff, der bei den Drücken und Temperaturen im Kern einer
Sonne fusioniert wird. Ich vermute, sie wollen die Sonne auf diese
Weise in eine Art Flammenwerfer verwandeln. Die Energie im Kern wird
sehr schnell abfließen, sobald der Bohrer durchdringt, und die
Sonne wird sterben – oder zumindest sehr viel matter und
kühler werden. Doch zugleich lässt sich die Sonne als Waffe
verwenden. Man kann jeden Planeten im Umkreis von einigen
Lichtstunden in Brand stecken, indem man das ausbrechende
Fusionsfeuer einfach auf seine Oberfläche lenkt. Es könnte
die Atmosphäre jedes Gasriesen verdampfen und jede Felswelt zu
metallischer Lava einschmelzen. Die Menschen auf Resurgam wissen wohl
nicht so genau, was ihnen bevorsteht, aber man kann davon ausgehen,
dass sie den Planeten so schnell wie möglich verlassen wollen.
Eine ganze Reihe von Bewohnern, mindestens ein paar tausend, wurde
bereits über eine Flugbrücke auf das Lichtschiff
gebracht.«
    »Und das können Sie beweisen?«, fragte Scorpio.
    »Beweisen kann ich es nicht, nein.«
    »Dann werden wir davon ausgehen, dass diese Menschen nicht
existieren. Das Ganze ist sicher nur ein plumper Versuch, uns von
einem Angriff abzubringen.«
    * * *
    Thorn stand auf Resurgam und hatte sich den Mantel bis obenhin
zugeknöpft. Der raue Polarwind scheuerte gnadenlos wie
Sandpapier über jeden Zentimeter unbedeckter Haut. Er war nicht
ganz so schlimm wie früher die sogenannten Schmirgelstürme,
aber doch unangenehm genug, wenn man sich ungeschützt im Freien
aufhielt. Thorn rückte sich die dünne Staubbrille zurecht
und blinzelte in den Himmel, um nach einem winzigen, wandernden
Lichtpünktchen zu suchen, dem Transfer-Shuttle.
    Es war Abend. Der Himmel war von einem tiefen, samtigen Purpurrot,
das am südlichen Horizont bereits in Schwarz überging. Mit
seiner Brille konnte er nur die hellsten Sterne erkennen, und selbst
die erschienen ihm matt, weil er vom grellen Aufblitzen eines
Weltraumgeschützes geblendet war. Im Norden zitterten, nach
Osten und Westen ausgreifend, weiche rosafarbene Aurora-Tücher
wie von unsichtbaren Winden bewegt. Ein herrliches Schauspiel, aber
nur, wenn man seine Entstehung und folglich auch seine Bedeutung
nicht kannte. Denn die Aurorae wurden von den ionisierten Teilchen
gespeist, die die Unterdrücker-Waffe aus der
Sonnenoberfläche scharrte. Die Vertiefung, der Tunnel, den die
Waffe in den Stern bohrte, hatte bereits die Hälfte des Weges
zum Kern zurückgelegt. Jenseits der Tunnelwände, die von
stehenden Wellen aus Gravitationsenergie offen gehalten wurden,
kämpften die normalen Konvektionsprozesse verzweifelt darum,
sich auf die vordringende Waffe einzustellen. Das hatte zu einer
Reihe von drastischen Veränderungen der inneren Strukturen
geführt. Wo sich die darüber liegenden Massen verlagerten,
verformte sich bereits der Kern. Das Lied des Neutrinostroms aus dem
Herzen des Sternes wechselte in eine andere Tonart, ein Zeichen
dafür, dass der Durchbruch unmittelbar bevorstand. Noch hatte
niemand eine klare Vorstellung davon, was genau geschehen würde,
wenn die Waffe ihr Werk vollendete, aber Thorn hielt es jedenfalls
für besser, nicht so lange zu warten.
    Er wartete auf den für heute letzten Start der
Raumfähre. Das elegante Gefährt stand ein Stück
unterhalb von ihm am Fuß des Abhangs. Eine wogende Masse von
Flüchtlingen umringte es wie ein Insektenschwarm. Immer wieder
kam es zu Rangeleien, weil jemand versuchte, sich vorzudrängen.
Thorn fühlte sich abgestoßen, obwohl er für die
einzelnen Elemente nur Bewunderung und Mitgefühl empfand. Er
hatte in all den Jahren, in denen er zur Revolution aufrief, immer
nur mit kleinen Gruppen von vertrauenswürdigen Anhängern zu
tun gehabt, aber er hatte immer gewusst, dass

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