Die Arche
in
moralischer Hinsicht ebenso verschieden waren wie die Menschen, zu
deren Dienern man sie geschaffen hatte. Man durfte sie nicht alle
über einen Kamm scheren. Ein Schwein vom Industriemond Ganesh
hatte ihm während der Shiva-Parvati-Blockade von 2358 drei Mal
das Leben gerettet. Zwanzig Jahre später hatte eine Gruppe von
Schweinebriganten auf Irravels Mond, einem Trabanten des Planeten
Fand, acht von seinen Soldaten als Geiseln genommen und
tatsächlich angefangen, sie bei lebendigem Leib zu verspeisen,
als sie sich weigerten, Synthetiker-Geheimnisse zu verraten. Nur
einer der Synthetiker hatte das überlebt, und Clavain hatte
seine schmerzgesättigten Erinnerungen in sich aufgenommen. Sie
ruhten auch jetzt noch in seinem Bewusstsein, gut verwahrt hinter
einer mentalen Partition, so dass sie nicht versehentlich freigesetzt
werden konnten. Aber auch das hatte nicht dazu geführt, dass er
Schweine als Spezies hasste.
Ob das auch für Remontoire galt, konnte er nicht mit
Sicherheit sagen. Remontoire hatte vor langer Zeit ein noch
grässlicheres und länger dauerndes Erlebnis gehabt. Er war
von dem Schweinepiraten Wurf Sieben gefangen genommen worden. Wurf
Sieben war eines der ersten Hyperschweine gewesen, und sein
Bewusstsein strotzte dank einer mangelhaften neurogenetischen
Aufrüstung nur so von psychotischen Narben. Er hatte Remontoire
eingesperrt und von der mentalen Gemeinschaft mit anderen
Synthetikern ausgeschlossen. Das allein wäre schon Folter genug
gewesen, aber Wurf Sieben hatte auch die anderen, älteren
Methoden ausgiebig verwendet. Und sich darin als wahrer Meister
erwiesen.
Remontoire war schließlich entkommen, und das Schwein war
tot. Aber Clavain wusste, dass sein Freund noch immer tiefe seelische
Wunden mit sich herumtrug, die hin und wieder aufbrachen. Deshalb
hatte er genau aufgepasst, als Remontoire die ersten Trawls an dem
Schwein durchführte, denn die Prozedur konnte nur allzu leicht
zur Folter entarten. Remontoire hatte nichts Ungehöriges getan
– er war im Gegenteil fast zu wenig aus sich herausgegangen
–, aber Clavain war ein leises Unbehagen nicht ganz losgeworden.
Es wäre ihm lieber gewesen, wenn es sich nicht ausgerechnet um
ein Schwein gehandelt hätte und wenn nicht ausgerechnet
Remontoire derjenige gewesen wäre, der es
verhörte…
Clavain sah, wie sich der andere Wagen von der Nachtschatten entfernte, und war überzeugt, nicht zum letzten Mal von dem
Schwein gehört zu haben. Die Gefangennahme würde sicher
noch einige Wellen schlagen. Doch dann lächelte er in sich
hinein und schalt sich einen Narren. Es war schließlich nur ein
Schwein.
Clavain schickte einen Neuralbefehl an die einfache
Unterpersönlichkeit des Wagens. Sie lösten sich mit einem
Ruck vom schwarzen Walkörper der Nachtschatten und rasten
durch das gewaltige Räderwerk mit seiner unterschiedlich starken
künstlichen Schwerkraft auf das grüne Herz des Null-G-Kerns
zu.
Diese Festung, das eigentliche Mutternest, war erst als Letztes
gebaut worden. Irgendein Mutternest hatte es immer gegeben. In den
Frühphasen des Krieges war es nur das größte von
vielen getarnten Feldlagern gewesen. Damals hatte man zwei Drittel
der Synthese auf kleinere Stützpunkte überall im System
verteilt. Doch die Trennung hatte zu Problemen geführt. Die
einzelnen Gruppen waren Lichtstunden voneinander entfernt, und die
Nachrichtenverbindungen waren nicht abhörsicher. Man konnte
nicht in Echtzeit Strategien entwickeln, und das Gruppenbewusstsein
ließ sich nicht genügend ausweiten, um zwei oder mehr
Nester zu integrieren. Die Spaltung wurde für die Synthetiker
bald zur unerträglichen Belastung, und endlich hatte man sich
zögernd entschlossen, die kleineren Nester in ein großes
Mutternest zu überführen. Man hoffte, die Vorteile der
Zentralisierung könnten die Gefahren aufwiegen, in die man sich
begab, wenn man alle Eier in einen Korb legte.
Im Rückblick war die Entscheidung ein uneingeschränkter
Erfolg gewesen.
Als sich der Wagen der Membran des Null-G-Kerns näherte,
wurde er langsamer. Clavain fühlte sich winzig klein neben der
riesigen Kugel, die wie ein grüner Miniaturplanet in einem
eigenen, ganz weichen Licht erstrahlte. Der Wagen passierte mit
leisem Schmatzen die Membran und war von Luft umgeben.
Clavain öffnete ein Fenster, um die Atmosphäre in den
klimatisierten Innenraum strömen zu lassen. Ein Schwall von
Pflanzendüften stieg ihm in die Nase. Die feuchte Luft war
kühl und frisch, und es roch wie
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