Die Arche
doch selbst einmal auf den Leim
gegangen.«
Clavain fröstelte. Es war mit einem Mal noch kälter
geworden, und er hatte ein Kribbeln im Nacken, als würde er
beobachtet. Ringsum summten die Kälteschlaftanks. Die
Statuslichter und Anzeigen waren unverändert.
Clavain wurde plötzlich klar, dass er das Gewölbe
möglichst schnell verlassen wollte. »Galiana«, sagte
er hastig und verlegen. »Ich muss es tun. Ich muss Skades
Einladung folgen, ich habe keine andere Wahl. Ich kann nur hoffen,
dass du mich verstehst.«
»Sie wird dich verstehen, Clavain.«
Er fuhr erschrocken herum, obwohl er die Stimme bereits erkannt
hatte und wusste, dass ihm keine Gefahr drohte. »Felka.« Er
zitterte vor Erleichterung. »Wie hast du mich
gefunden?«
»Mir war klar, dass du hier unten sein musstest, Clavain.
Dass Galiana immer die Letzte wäre, mit der du sprechen
würdest.«
Er hatte sie nicht eintreten hören. Jetzt sah er, dass das
Schott am Eingang nur angelehnt war. Was ihn hatte frösteln
lassen, war der Luftzug gewesen, der beim Öffnen entstanden
war.
»Ich könnte selbst nicht sagen, warum ich hier
bin«, sagte Clavain. »Ich weiß doch, dass sie tot
ist.«
»Sie ist dein Gewissen, Clavain.«
»Deshalb habe ich sie geliebt.«
»Wir haben sie alle geliebt. Deshalb scheint es uns auch, als
wäre sie noch am Leben und könnte uns führen.«
Felka stand jetzt neben ihm. »Du brauchst dich nicht zu
schämen, weil du hier bist. Ich denke deshalb nicht geringer von
dir, du bist nicht in meiner Achtung gesunken.«
»Ich glaube, ich weiß jetzt, was ich zu tun
habe.«
Sie nickte, als hätte er ihr lediglich die Uhrzeit gesagt.
»Komm, lass uns gehen. Für die Lebenden ist es hier zu
kalt. Galiana wird das sicher verstehen.«
Clavain folgte ihr zum Ausgang des Gewölbes.
Auf der anderen Seite angekommen, drehte er das Rad, bis der
Kolben wieder fest an seinem Platz saß und dafür sorgte,
dass die Erinnerungen und die Gespenster der Vergangenheit blieben,
wo sie hingehörten.
* * *
Clavain wurde in den Ratssaal geführt. Sobald er die Schwelle
überschritten hatte, verklangen die Millionen
Hintergrundgedanken des Mutternests in seinem Bewusstsein wie der
letzte Seufzer eines Sterbenden. Der Kontrast wäre für
viele Synthetiker traumatisch gewesen, doch ihn hätte er auch
dann nicht allzu sehr erschüttert, wenn er nicht eben erst von
Galianas Ruhestätte gekommen wäre, die ähnlich
abgeschirmt war. Er hatte zu lange an den Rändern der
Synthetiker-Gesellschaft gelebt, als dass es ihn beunruhigt
hätte, in seinem Kopf nur seine eigenen Gedanken zu
hören.
Natürlich war er nicht völlig allein. Er spürte die
Bewusstseine der anderen im Raum, auch wenn ihm die innerhalb des
Konzils geltenden Restriktionen nur Einblick in die
oberflächlichsten Schichten ihres Denkens gewährten. Der
Raum selbst war nicht weiter bemerkenswert: eine große Kugel,
um deren Wände sich bis weit nach oben zahlreiche Balkone mit
vielen Sitzplätzen zogen. Genau im Zentrum stand ein einziger
schmuckloser Stuhl, der fest verankert war und so nahtlos in die
flache, glänzend graue Bodenplattform überging, als
hätte man ihn von unten durchgestoßen.
[Clavain.] Das war Skade. Sie stand auf einer
zungenförmigen Empore, die von einer Seite weit in den Raum
hineinragte.
Ja?
[Nimm auf dem Stuhl Platz, Clavain.]
Auf dem harten Boden war jeder Schritt zu hören. Clavain
konnte sich des Eindrucks nicht erwähren, vor Gericht zu stehen;
er fühlte sich wie auf dem Weg zum Schafott.
Er ließ sich auf dem Stuhl nieder, der genauso unbequem war,
wie er aussah, schlug die Beine übereinander und kratzte sich
den Bart. Bringen wir es hinter uns, Skade.
[Wir wollen nichts überstürzen, Clavain. Ist dir
bewusst, dass mit der Last des Wissens auch die Verpflichtung
einhergeht, es geheim zu halten? Bist du erst eingeweiht in die
Geheimnisse des Inneren Konzils, dann dürfen sie nicht dadurch
gefährdet werden, dass du womöglich in die Hände des
Feindes fällst. Du hast nicht einmal das Recht, dein Wissen mit
anderen Synthetikern zu teilen.]
Ich weiß, worauf ich mich einlasse, Skade.
[Wir wollen nur sichergehen, Clavain. Das kannst du uns nicht
verdenken.]
Remontoire erhob sich. [Er sagt, er ist bereit, Skade. Das
sollte genügen.]
Sie musterte ihn mit einer Ausdruckslosigkeit, die Clavain viel
beängstigender fand, als wenn sie nur wütend geworden
wäre. [Danke, Remontoire.]
Er hat Recht. Ich bin bereit. Und ich akzeptiere
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