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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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die
Bedingungen.
    Skade nickte. [Dann gib Acht. Du erhältst jetzt Zugriff
auf bisher gesperrte Daten.]
    Clavain umklammerte unwillkürlich die Armlehnen des Stuhls,
obwohl er wusste, wie lächerlich das war. So hatte er sich vor
vierhundert Jahren nach seiner Verwundung gefühlt, als Galiana
in ihrem Nest auf dem Mars sein Gehirn mit Scharen von Maschinen
überschwemmt und ihn so mit dem Transrationalismus bekannt
gemacht hatte. Sie hatte ihm nur einen kurzen Einblick gewährt,
doch in den Augenblicken davor hatte er wie vor einer heranrasenden
Wasserwand gestanden und die Sekunden gezählt, bis er
verschlungen würde. Dieses Gefühl hatte er auch jetzt,
obwohl er diesmal nicht in einen anderen Bewusstseinszustand
überführt werden sollte. Es genügte zu wissen, dass er
Zugang zu Geheimnissen erhalten sollte, die so gewaltig waren, dass
sie die Bildung verschiedener hierarchischer Schichten in einem
ansonsten allwissenden Kollektivbewusstsein rechtfertigten.
    Er wartete… aber nichts geschah.
    [Es ist vorbei.]
    Er ließ die Armlehnen los. Ich fühle mich nicht
anders als vorher.
    [Aber du bist nicht mehr derselbe.]
    Clavain ließ den Blick über die Balkone schweifen.
Nichts hatte sich verändert; alles schien wie zuvor. Er
durchforstete seine Erinnerungen, fand aber nichts, was eine Minute
zuvor noch nicht da gewesen wäre. Ich wüsste
nicht…
    [Bevor du dich entschließen konntest, hierher zu kommen,
ließen wir durchsickern, dass wir deine Hilfe bräuchten,
um verlorenes Eigentum wiederzubeschaffen. Das ist doch richtig,
Clavain?]
    Aber ihr wolltet mir nicht sagen, wonach ihr sucht. Und das
weiß ich immer noch nicht.
    [Du hast dir nicht die richtige Frage gestellt.]
    Welche Frage sollte ich mir denn stellen, Skade?
    [Frage dich nach den Weltraumgeschützen der
Höllenklasse, Clavain. Du wirst eine sehr interessante Antwort
erhalten.]
    Ich weiß nichts über irgendwelche
Höllenklassengeschütze…
    Er verstummte. Tatsächlich wusste er genau, was mit dem
Begriff gemeint war.
    Jetzt, da er auf die Information zugreifen konnte, erinnerte er
sich auch, dass er seit seinem Eintritt in die Synthese immer wieder
einmal von diesen Objekten gehört hatte. Die erbittertsten
Gegner der Synthetiker erzählten wahre Schauergeschichten von
einem geheimen Arsenal mit verheerenden Vernichtungswaffen,
Geschützen von so furchterregender Zerstörungskraft, dass
man sie kaum getestet und erst recht niemals in irgendeinem Krieg
eingesetzt hatte. Man munkelte, sie seien sehr alt und stammten aus
der frühesten Phase der Synthetiker-Geschichte. In Details
wichen die Beschreibungen voneinander ab, doch in einem Punkt waren
sie sich alle einig: es waren vierzig Geschütze gewesen, und
keines war genau wie das andere.
    Clavain hatte die Gerüchte niemals ernst genommen. In seinen
Augen gingen sie auf eine gezielte Falschinformation zurück, mit
der eine der Spionageabwehrorganisationen des Mutternests irgendwann
einmal Angst und Schrecken verbreiten wollte. Dass es wirklich einmal
solche Waffen gegeben haben sollte, war undenkbar. Offiziell waren
sie in den vergangenen Jahrhunderten kein einziges Mal erwähnt
worden. Auch Galiana hatte nie von ihnen gesprochen, doch wenn sie
wirklich alt waren – wenn sie noch aus der Mars-Ära
stammten –, musste sie von ihrer Existenz gewusst haben.
    Die Waffen hatten existiert.
    Clavain durchstöberte seine schönen neuen Erinnerungen
mit verbissener Faszination. Er hatte immer gewusst, dass es
innerhalb des Mutternests Geheimnisse gab, aber er hätte nie
für möglich gehalten, dass etwas von solcher Tragweite so
lange verborgen bleiben könnte. Es war, als hätte er soeben
in dem Haus, in dem er fast sein ganzes Leben verbracht hatte, einen
riesigen geheimen Raum entdeckt. Er war verwirrt – und tief
enttäuscht.
    Es waren vierzig Geschütze, wie in den alten Geschichten.
Jedes war ein Prototyp, dem ein spezielles neu entdecktes
physikalisches Gesetz von perverser Originalität zugrunde lag.
Und Galiana hatte tatsächlich von ihnen gewusst. Als die
Hetzjagd auf die Synthetiker ihren Höhepunkt erreichte, hatte
sie sogar ihren Bau genehmigt. Damals waren die Feinde nur durch ihre
zahlenmäßige, nicht aber durch ihre technische
Überlegenheit eine Bedrohung gewesen. Die vierzig neuen
Geschütze hätten den Unterschied wettgemacht, aber
fünf Minuten vor zwölf hatte sie entschieden, sie nicht
einzusetzen: lieber selbst ausgelöscht werden, als das Gewissen
mit einem Völkermord zu

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