Die Arche
Eridani. Da
war es wieder: ein kurzes, gerade noch wahrnehmbares Aufflackern. Er
hatte sich nicht getäuscht. Dann flammte gleich daneben ein
weiterer Blitz auf. Clavain befahl seinem Helmvisier, das Sonnenlicht
auszufiltern, um den breiten dynamischen Helligkeitsbereich zu
verringern und seine Augen zu schonen. Das Visier verdeckte den Stern
präzise mit einer schwarzen Maske, gerade so, als hätte er
zu lange in die Sonne geschaut.
Was er sah, war eine Dutzende von Lichtstunden entfernte
Raumschlacht. Die Schiffe der beiden Gegner waren vermutlich
über mehreren Lichtminuten verstreut und feuerten mit schweren
relativistischen Waffen aufeinander. Im Mutternest hätte er sich
in die generaltaktische Datenbank einloggen können, um sich zu
informieren, welche Streitkräfte diesen Abschnitt des
Sonnensystems überwachten. Doch was er dabei erfahren
hätte, konnte er sich auch selbst ableiten.
Die Blitze kamen meist von sterbenden Schiffen. Manchmal waren
auch Auslöseimpulse von demarchistischen Railguns darunter
– unhandlichen, tausend Kilometer langen Linearbeschleunigern,
die ihre Energie aus der Zündung einer Kette von
Kobalt-Fusionsbomben bezogen. Durch die Explosion wurde die Railgun
in ihre Atome zerlegt, doch zuvor hatte sie noch ein
panzergroßes Projektil aus stabilisiertem metallischem
Wasserstoff auf siebzig Prozent Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und
dicht vor der Vernichtungswelle hergejagt.
Auch die Synthetiker verfügten über solche
Vernichtungswaffen, nur bezogen die ihre Energie direkt aus der
Raumzeit, und man konnte sie mehr als einmal abfeuern und besser
steuern. Außerdem gaben sie keine Blitze ab.
Clavain wusste, dass sich gesicherte Informationen über den
Ursprung dieser Blitze nur mit einer spektroskopischen Analyse ihres
Lichts gewinnen ließen. Aber es hätte ihn nicht
überrascht zu erfahren, dass die meisten auf Explosionen
demarchistischer Raumkreuzer zurückgingen.
Da draußen starben die Feinde. Es war ein schneller Tod, die
Explosionen waren so kurz und heftig, dass die Opfer das Ende nicht
kommen sahen und auch keinen Schmerz empfanden. Aber das war nur ein
schwacher Trost. Das Geschwader bestand aus vielen Schiffen; die
Überlebenden mussten mit ansehen, wie die Schiffe ihrer
Kameraden zerstört wurden, und hatten keine Ahnung, wer der
Nächste sein würde. Wann tatsächlich ein Projektil auf
sie zuraste, würden sie nie erfahren, und wenn sie getroffen
wurden, wäre es zu spät.
Von Clavains Kometen aus erschien das Ganze wie ein Feuerwerk
über einer fernen Stadt. Von den Fahnen von Agincourt und den
Flammen von Guernica über das grelle Licht, das über
Nagasaki aufblitzte wie eine rächende Schwertklinge, und den
Kondensstreifen, die sich über der Tharsis-Region in den
Marshimmel brannten, bis hin zu den fernen Blitzen schwerer
relativistischer Waffen vor einer pechschwarzen Sternenlandschaft zu
Beginn des siebenundzwanzigsten Jahrhunderts: Clavain wusste nur zu
gut, dass der Krieg grausam war, aber von außen betrachtet auch
ein Schauspiel von schrecklicher, herzzerreißender
Schönheit bieten konnte.
Die Schlacht sank dem Horizont entgegen. Bald würde sie
verschwinden, und der Himmel wäre wieder frei von den
kleinlichen Streitigkeiten der Menschen.
Er ließ sich durch den Kopf gehen, was er über das
Innere Konzil erfahren hatte. Remontoire hatte ihm, vermutlich mit
Skades stillschweigendem Einverständnis, angedeutet, was man
dort von ihm erwartete. Es ging nicht nur darum, ihn so zu
integrieren, dass er sich nicht mehr in gefährliche Abenteuer
stürzen konnte. Nein. Clavain wurde für eine heikle
Operation gebraucht, einen Militäreinsatz außerhalb des
Epsilon Eridani-Systems. Er sollte bei der Wiederbeschaffung einer
Reihe von Objekten helfen, die in falsche Hände gefallen
waren.
Remontoire hatte ihm nicht verraten, um was für Objekte es
sich genau handelte, er hatte nur betont, die Wiederbeschaffung
– dem Wort ließ sich entnehmen, dass sie irgendwann einmal
verloren gegangen sein mussten – sei für die künftige
Sicherheit des Mutternests unerlässlich. Um mehr zu erfahren,
und er musste mehr erfahren, um dem Mutternest dienlich sein
zu können, bliebe ihm nichts anderes übrig, als dem Inneren
Konzil beizutreten. Das klang atemberaubend einfach. Und hier
draußen auf der Kometenoberfläche, allein mit seinen
Gedanken, musste er zugeben, dass es wahrscheinlich auch so einfach
war. In Anbetracht der Fakten erschienen seine Bedenken
Weitere Kostenlose Bücher