Die Arche
Infrarot
herausgefiltert werden konnten.
»Was soll das denn werden?«, fragte Khouri.
»Das war mir zunächst auch nicht klar.«
Erst nach ein paar Wochen hatte sich herausgestellt, was wirklich
vorging. Inzwischen waren in regelmäßigen Abständen
um den Mondäquator herum gleichsam vulkanische Öffnungen
entstanden, gedrungene Maschinen mit weit aufgerissenem Schlund,
deren Höhe ein Hundertstel des Monddurchmessers betrug.
Plötzlich spieen sie Wolken von Gesteinsmaterial aus, das zwar
heiß, aber nicht ganz flüssig war. Es schoss in
ballistischen Kurven in die Höhe und fiel in eine Umlaufbahn.
Eine andere Maschine, die – von Volyova bis dahin unbemerkt
– auf derselben Bahn kreiste, sammelte den Staub ein,
kühlte ihn ab und verdichtete ihn und ließ hinter sich auf
sauber getrennten Bahnen ein Ringsystem mit vielen Gigatonnen
raffinierter und veredelter Gesteinsmasse zurück. Scharen von
kleineren Maschinen folgten ihr wie kleine Fische, saugten dieses
Material wiederum ein und reinigten es weiter.
»Was hat das zu bedeuten?«
»Die Maschinen demontieren den Mond«, sagte Volyova.
»So weit war ich auch schon gekommen. Aber ich finde das
Verfahren ziemlich umständlich. Wir haben
Krustenbrecher-Sprengköpfe, die das Gleiche im
Handumdrehen…«
»Und dabei die Hälfte der Mondmasse verdampfen und in
alle Winde verstreuen würden.« Volyova nickte
bedächtig. »Ich glaube, das wäre nicht der Sinn der
Sache. Man wollte vielmehr das ganze Material so weit wie
möglich raffinieren und veredeln. Und nicht nur dieses Material,
denn insgesamt werden drei Monde auseinander genommen. Dabei
fällt viel flüchtige Materie an, die sich nicht ohne
massiven Einsatz von Chemie zu Feststoffen verarbeiten lässt,
aber meiner Schätzung nach kommen am Ende doch etwa hundert
Trillionen Tonnen Rohmaterial zusammen.«
»Eine ganze Menge Schutt.«
»Richtig. Und da fragt man sich doch: was haben sie mit dem
Zeug denn eigentlich vor?«
»Ich nehme an, du hast schon eine Theorie.«
Ilia Volyova lächelte. »In diesem Stadium kann ich
eigentlich nur raten. Die Demontage der Monde ist noch nicht
abgeschlossen, aber es erscheint mir einigermaßen
offensichtlich, dass die Maschinen etwas bauen wollen. Und
weißt du was? Ich habe den dumpfen Verdacht, was immer es auch
ist, wir werden nicht viel Freude daran haben.«
»Du denkst also, es wird eine Waffe?«
»Ich werde auf meine alten Tage offensichtlich immer leichter
zu durchschauen. Aber du hast Recht, ja, ich fürchte, es geht um
eine Waffe. Welcher Art, kann ich noch nicht einmal erahnen.
Natürlich hätten sie Resurgam bereits zerstören
können, wenn das ihre Absicht wäre – dazu
bräuchten sie es nicht so fein säuberlich zu
zerlegen.«
»Dann haben sie etwas anderes im Sinn.«
»Sieht ganz danach aus.«
»Wir müssen etwas dagegen unternehmen, Ilia. Wir haben
immer noch die Weltraumgeschütze. Damit könnten wir selbst
jetzt noch etwas ausrichten.«
Volyova schaltete das Display aus. »Im Moment scheinen sie
uns nicht zu bemerken – offenbar befinden wir uns unterhalb
ihrer Wahrnehmungsschwelle, solange wir nicht in der Nähe von
Hades sind. Würdest du riskieren, sie mit den
Weltraumgeschützen auf uns aufmerksam zu machen?«
»Wenn ich das für unsere letzte Hoffnung hielte,
vielleicht. Genau wie du.«
»Ich will nur betonen, dass es dann kein Zurück mehr
gibt. Darüber müssen wir uns klar sein.« Volyova
schwieg einen Augenblick lang. »Und da ist noch
etwas…«
»Ja?«
Sie senkte die Stimme. »Wir können die Geschütze
nicht steuern, nicht ohne seine Hilfe. Wir werden den Captain
überzeugen müssen.
* * *
Natürlich bezeichneten sie sich nicht selbst als
Unterdrücker. Sie hatten es nie für nötig gehalten,
sich überhaupt einen Namen zu geben. Da sie nur existierten, um
eine unendlich wichtige Aufgabe zu erfüllen, die für den
Fortbestand des intelligenten Lebens an sich unerlässlich war,
erwarteten sie weder Verständnis noch Mitgefühl, und damit
war ein Name genauso überflüssig wie eine wie auch immer
geartete Rechtfertigung ihres Tuns. Immerhin war ihnen nicht
entgangen, dass sie ihren Namen nach der glorreichen
Säuberungswelle im Anschluss an den Morgenkrieg bekommen hatten.
Von da an war er über eine lange, dünne Kette von
Erinnerungen weitergegeben worden, während eine Spezies nach der
anderen vom Angesicht der Galaxis getilgt wurde. Die
Unterdrücker, die das Aufkommen von Intelligenz
verhinderten.
Der Aufseher musste
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