Die Arche
sich eingestehen, dass der Name seine
Tätigkeit durchaus treffend beschrieb.
Wo und wann das Werk genau begonnen hatte, war schwer zu sagen.
Der Morgenkrieg war das erste wichtige Ereignis in der Geschichte der
besiedelten Galaxis gewesen, der Aufeinanderprall einer Million neu
entstandener Zivilisationen, der ersten raumfahrenden Spezies, der
ersten Teilnehmer am großen Spiel.
Letzten Endes war es im Morgenkrieg nur um eine einzige
kostbare Ressource gegangen.
Um Metall.
* * *
Die Inquisitorin kehrte nach Resurgam zurück.
In ihrer Behörde stellte man ihr viele Fragen, die sie so
unbekümmert wie nur möglich abwehrte. Sie sei in der
Wildnis gewesen, sagte sie, um dem hoch brisanten Bericht eines
Agenten nachzugehen, der auf einen besonders verheißungsvollen
Hinweis gestoßen sei. Man sei dem Triumvirn so dicht auf der
Fährte wie seit Jahren nicht mehr. Zum Beweis reaktivierte sie
gewisse Fälle, die bereits zu den Akten gelegt worden waren, und
ließ alte Verdächtige zu weiteren Verhören in die
Inquisitionsbehörde vorladen. Innerlich krümmte sie sich
vor Scham, wenn sie sah, was sie den Menschen antun musste, um den
Schein zu wahren. Unschuldige wurden festgenommen und bekamen, damit
es realistischer wirkte, den Eindruck vermittelt, als wären ihr
Leben oder zumindest ihre bürgerlichen Freiheiten in
höchster Gefahr. Es war zutiefst abstoßend. Früher
hatte sie ihr Gewissen damit zu beruhigen versucht, dass sie nur
solche Personen unter Druck setzte, bei denen sie durch gezieltes
Schnüffeln in den Akten konkurrierender Regierungsbehörden
festgestellt hatte, dass sie der Strafe für andere Verbrechen
entgangen waren. Eine Weile hatte das auch geklappt, doch dann war
ihr selbst das als moralisch fragwürdig erschienen.
Jetzt war es noch schlimmer. In der Regierung gab es Kollegen, die
ihr misstrauten, und um dieses Misstrauen zu entkräften, musste
sie sich bei ihren Ermittlungen noch härter und tüchtiger
zeigen als sonst. In Cuvier sollten überzeugende Gerüchte
darüber kursieren, wie weit die Inquisitionsbehörde zu
gehen bereit war. Sie musste Menschen quälen, um ihre Deckung zu
schützen.
Immer wieder beteuerte sie sich selbst, dass letztlich alles im
Interesse und zum Wohl Resurgams und seiner Bürger geschehe; die
Einschüchterung von ein paar armen Teufeln sei ein geringer
Preis für die Rettung einer ganzen Welt.
Sie stand am Fenster ihres Büros in der
Inquisitionsbehörde und schaute hinunter auf die Straße,
wo soeben wieder einer von ihren Gästen in einen plumpen grauen
Elektrowagen verfrachtet wurde. Der Mann stolperte, als ihn die
Wärter zum Wagen führten. Man hatte ihm einen Sack
über den Kopf gezogen und die Hände hinter dem Rücken
gefesselt. Der Wagen würde durch die Stadt rasen, bis er ein
Wohngebiet erreichte – bis dahin wäre es fast dunkel –
dort würde man den Mann ein paar Straßen vor seinem Haus
in die Gosse werfen.
Zuvor würde man ihm die Fesseln lockern, aber er würde
dennoch minutenlang schwer atmend auf dem Boden liegen bleiben, bis
er fassungslos erkannte, dass man ihn freigelassen hatte. Vielleicht
fand ihn eine Gruppe von Freunden, die auf dem Weg zu einer Bar waren
oder von den Reparaturfabriken kamen. Sie würden ihn nicht
gleich erkennen, denn sein Gesicht war von den Schlägen
verschwollen, und er konnte nur mit Mühe sprechen. Doch dann
würden sie ihn nach Hause bringen und sich dabei misstrauisch
umsehen, ob die Regierungsagenten, die ihn abgeladen hatten,
womöglich noch in der Nähe waren.
Vielleicht kam der Mann auch selbst wieder auf die Beine, sah sich
mit seinen blau geschlagenen Augen blinzelnd um und schleppte sich
alleine nach Hause. Seine Frau, die inzwischen vielleicht mehr Angst
hatte als irgendjemand sonst in Cuvier, würde auf ihn warten.
Wenn er daheim ankam, empfand sie wahrscheinlich die gleiche Mischung
aus Erleichterung und Furcht wie er, als er wieder zu sich gekommen
war. Trotz seiner Schmerzen würden sie sich in die Arme fallen.
Dann würde sie seine Verletzungen untersuchen und säubern,
was zu säubern war. Man hatte ihm keine Knochen gebrochen, aber
das ließe sich nur durch eine gründliche ärztliche
Untersuchung feststellen. Der Mann würde glauben, er hätte
Glück gehabt. Die Agenten, die ihn geschlagen hatten, wären
nach einem arbeitsreichen Tag in den Verhörzellen schon
müde gewesen.
Später würde er vielleicht in die Bar humpeln und seine
Freunde begrüßen. Wenn jeder ein Glas in der Hand
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