Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
mich damit aufzuhalten, meine Stellung als Diener zu bejammern.«
»Ihr beiden seid ja schon früh auf!«
Aurian fuhr erschrocken herum; Sara blickte von ihrer Koje aus finster auf die beiden herab. »Wir waren die ganze Nacht auf«, fauchte Aurian. Saras Ton fuchste sie. »Da du schon einmal wach bist, kannst du Anvar jetzt die Koje überlassen«, fügte sie hinzu. »Er braucht Schlaf. Ich werde eine Weile auf Deck umherlaufen – das wird mich ein wenig munterer machen.«
»Das ist nicht gerecht!« protestierte Anvar. »Ich habe letzte Nacht geschlafen …«
»Anvar, wir haben wenigstens noch zwei Nächte vor uns«, sagte Aurian sanft. Seine Rücksicht tat ihr gut. »Wie kann ich darauf zählen, daß du mich wach hältst, wenn du selbst vor Erschöpfung nicht mehr die Augen offenhalten kannst. Wenn du dich jetzt etwas ausruhst, dann schaffen wir es vielleicht.« Sie durchsuchte einen Packen, den Vannor ihnen gegeben hatte, und zog schließlich ein kleines Päckchen hervor. »Aber könntest du noch, bevor du das tust, den furchtbaren Koch bitten, mir etwas Taillin zuzubereiten? Das wird helfen, mich wach zu halten.« Aber als sie es ihm geben wollte, hielt sie inne. »Wirst du wohl auf mich achtgeben?« sagte sie kleinmütig. »Nach alledem, was ich über gute Kameradschaft gesagt habe, lasse ich dich immer noch für mich springen. Ich werde selbst gehen, Anvar. Schlaf du ein wenig.«
»Nein.« Anvar nahm ihr das Päckchen aus der Hand. »Ich werde es besorgen. Wenn du nur wach bleibst!«
Sara blickte ihm säuerlich nach, als er hinausging. »Immer der untertänige Diener«, höhnte sie. »Das ist alles, wofür er taugt.«
»Was meinst du damit?« Aurian war in Rage.
Sara zuckte die Achseln. »Frag Anvar«, war alles, was sie antwortete.
Aurian fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht. Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte sie. »Sara, mach keine Schwierigkeiten«, warnte sie das Mädchen. »Wenn du Anvar nicht anständig behandeln kannst, dann laß ihn ganz in Ruhe.« Mit diesen Worten verließ sie die Kabine; sie fühlte sich nicht in der Lage, auch nur eine Minute länger in Saras Gesellschaft zu ertragen.
Die Magusch ging zum Bug des Schiffes, setzte sich, trank ihr Taillin und sah zu, wie der rötlichgoldene Glanz des Sonnenaufgangs das Meer überflutete. Es war jetzt schon eine ganze Zeit her, daß sie zum letzten Mal Miathans Ausstrahlung gespürt hatte, und sie fragte sich, ob er wohl schlief oder vielleicht damit beschäftigt war, die Ordnung in einer Stadt wiederherzustellen, die vor Angst halb wahnsinnig sein mußte, nachdem seine Kreaturen sie überfallen hatten. Sie fragte sich, was in Nexis wohl vor sich ging, verbannte den Gedanken dann aber entschlossen aus ihrem Sinn. Sie durfte sich nicht darauf verlassen, daß der Erzmagusch die Suche aufgegeben hatte, und sie wagte nicht, in ihrer Aufmerksamkeit nachzulassen. Um wach zu bleiben, stand sie auf und begann auf dem beengten Deck des stampfenden Schiffes auf und ab zu gehen, ohne sich um die neugierigen Blicke der wenigen Besatzungsmitglieder zu kümmern, die zu dieser frühen Stunde bereits auf waren.
Wenig später hatte der Wind so weit aufgefrischt, daß es unmöglich wurde, auf dem Deck des stampfenden und schlingernden Schiffes umherzuwandern, und Aurian stieg hinab in die enge, schmutzstarrende Kombüse, um den Schiffskoch zur Herausgabe einer weiteren ungenießbaren Mahlzeit zu überreden. Der Geruch, der ihr entgegenschlug, als sie den steilen Niedergang hinabstieg, war ekelerregend vertraut. Nicht schon wieder Eintopf! Aurian spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. Sie biß die Zähne zusammen, um die in ihr aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken, schoß wie der Blitz die Stufen wieder hinauf und beeilte sich, an die Reling zu kommen, um sich zu übergeben. Ihr war so übel, daß sie das Höhnen der üblen Meute von Matrosen gar nicht kümmerte. Als es ihr etwas besser ging, setzte sie sich steif auf die Bank im Bug des Schiffes, trank kaltes Taillin direkt aus der Kanne und wischte sich ihre feuchte Stirn am Ärmel ab. O ihr Götter, dachte sie. Das war keine Seekrankheit! Zum ersten Mal ging ihr auf, welche zusätzlichen Schwierigkeiten ihr ihre Schwangerschaft auf dieser Flucht eintragen würde. Sie legte sich die Hand auf den Bauch, dorthin, wo das winzige Klümpchen Leben seinen geschützten, von Sorgen unbehelligten Platz hatte, und seufzte.
»Herrin, wach auf!«
Beim Klang von Anvars Stimme fuhr Aurian hoch und
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