Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
sie in die falschen Hände geraten zu lassen. Ein Seher des Drachenvolkes sagte eine Zeit voraus, in der das Schwert gebraucht werden würde, um die Welt vor dem Bösen zu retten, aber diese Zeit lag unvorstellbar weit in der Zukunft. Unter seiner Anleitung wurde das Schwert allein für den Einen geschaffen. Die Klinge selbst verfügte über ein geheimnisvolles Wissen und würde die Hand erkennen, für die sie geschaffen war, und um das Risiko noch weiter zu verringern, wurde sie in einem großen, unvergänglichen Kristall versiegelt. Um das Schwert zu erlangen, mußte der Eine einen Weg finden, die Klinge daraus zu befreien. Als das alles getan war, versteckten die Drachenleute das Schwert dort, wo es niemand finden konnte, und die wenigen, die davon wußten, nahmen sich selbst das Leben. So erlosch jede Kenntnis vom Schwert der Flamme.
Aurian blinzelte und sah das erste Licht des Morgens auf dem Silber der Lagune. Jede Einzelheit des Traumes hatte sich klar und deutlich in ihr Bewußtsein eingeprägt. Sie fröstelte in der leichten Kälte des Morgengrauens und streckte ihre Arme und Beine aus, die steif geworden waren und schmerzten, da sie auf nacktem Fels gelegen hatte. Sie richtete ihre Kräfte nach innen und vergewisserte sich des winzigen Fünkchens Leben in ihr – ihres und Forrals Kindes. Ach, Forral! Würde sie jetzt für den Rest ihres Lebens jeden Morgen beim Aufwachen von der trostlosen Erkenntnis niedergeschmettert werden, daß er für immer von ihr gegangen war? Aber das Kind – ihr gemeinsames Kind – schien wohlauf zu sein. Es schlief sicher und zufrieden in ihr, und Aurian betete dafür, daß das so bliebe. Dann sah sie die dunkle Masse von Ithalasas Körper an die Wasseroberfläche kommen, und alle anderen Gedanken waren sofort verschwunden.
»Ist es gutgegangen, Vater?« fragte sie ihn und versuchte, ihre gedankliche Stimme nicht allzu bedrängend klingen zu lassen. »Was hat dein Volk gesagt?«
Er lachte – sie hörte es ganz deutlich in ihrem Kopf. »Dummes Kind – denk einmal nach! Du kennst die Antwort schon.«
»Ich kenne sie schon?« Aurian, die früh morgens nie in bester Verfassung war, staunte.
Ithalasa lachte noch einmal. »Natürlich kennst du sie. Die Hälfte von dem, was du wissen wolltest, hast du bereits erzählt bekommen!«
»Mein Traum! Natürlich!« Aurian lief voller Erregung den Strand hinunter und tauchte in das kalte Wasser ein, um ganz nah an den massigen Kopf des Leviathan heranzuschwimmen. Sie wünschte sich, daß er nicht zu groß gewesen wäre, um ihn zu umarmen. Er zwinkerte mit seinem ihr zugewandten, hellen, tiefen Auge.
»Wir haben gedacht, das wäre der beste und schnellste Weg«, sagte er.
»Ach, vielen Dank, Großer«, keuchte Aurian. »Ich danke dir von ganzem Herzen!«
Ithalasa seufzte. »Es war keine leichte Entscheidung, und wir beten dafür, daß es die richtige war. Ich bitte dich, Tochter – wenn du deine Aufgabe erfolgreich bewältigt hast, dann vergiß nicht die Eide, die du mir geschworen hast. Wir möchten nicht, daß durch das, was wir heute tun, ein Tyrann geboren wird.«
Aurian wurde wieder nüchtern. Jetzt, da sie selbst die ganze Breite und Fülle der Gewalten geschaut hatte, mit denen sie es vermutlich zu tun bekommen würde, verstand sie nur allzugut, welch großes Vertrauen die Leviathane in sie gesetzt hatten.
Wassertretend streckte sie die Arme aus, um Ithalasas knotigen Kopf zu berühren. »Ich verstehe, Vater. Ich werde dich nicht enttäuschen, das schwöre ich.«
Ithalasa half ihr wieder, sich Fisch zum Frühstück zu fangen. Aurian hatte einen halben Tag und die ganze Nacht geschlafen und war jetzt, heißhungrig; ihr Körper stellte sich schon auf die Bedürfnisse des Kindes ein, das sie in sich trug. Während sie aß, setzte sie ihre Unterhaltung mit dem Leviathan fort.
»Vater, ich bin verwirrt«, sagte sie. »Ich wußte gar nicht, daß es vier Rassen der Magusch gibt. Auf der Akademie hat man uns beigebracht, daß wir die einzigen Magusch sind. Wir nennen uns selbst die Magusch oder das Maguschvolk und nicht Zauberer, so wie wir es früher gemacht haben – nach dem, was du mir erzählt hast. Was ist denn mit den anderen Rassen passiert? Warum haben wir nichts von euch gewußt? Und wo sind die Waffen geblieben?«
»Ah! Das ist, wie man so sagt, eine Geschichte für sich, und in der sind die Antworten auf alle deine Fragen unauflösbar miteinander verbunden. Es ist die tragische Geschichte der Verheerung, die ich
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