Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
Karren holperte weiter. Es war eine solche Qual für Anvars schmerzenden Kopf, daß er befürchtete, sich jeden Augenblick von neuem übergeben zu müssen. Sein Körper kam in der Sonne beinahe um vor Hitze, und er war nahe daran, in dem stinkenden Sack zu ersticken. Aber plötzlich war die Sonnenglut wie ausgelöscht, und nur noch schwaches Licht drang durch das Gewebe des Sackes. Die Räder des Karren hallten hohl auf glatten Steinen und kamen dann schließlich zum Stehen.
»Sei mir gegrüßt, Kapitän.« Aus der hellen Stimme troff falscher Honig. »Du hattest eine einträgliche Reise, hoffe ich? Wollen wir heute kaufen oder verkaufen?«
»Verkaufen, Zahn. Nur einen diesmal.«
»Nur einen? Tz tz, Kapitän. Dabei bist du doch für gewöhnlich einer der zuverlässigeren Lieferanten.«
»Sei vernünftig, Zahn«, sagte der Kapitän gereizt. »Was konnten wir denn in zwei Monaten Zollpatrouille vor der Küste zuwege bringen? Wir sind die Korsaren des Khisu, wie du weißt. Manchmal müssen wir eben unsere Pflicht tun und den Gewinn für eine Weile vergessen.«
»Deine Loyalität ehrt dich, Kapitän«, erwiderte Zahn glatt. »Wollen wir uns dann die Ware einmal etwas näher ansehen?«
Anvars Fußfesseln wurden zerschnitten, und er keuchte vor Schmerz auf, als das Blut wieder in seine tauben Gliedmaßen zurückfloß. Starke Hände zogen ihn aus dem Karren und stellten ihn aufrecht auf den Boden, dann wurde ihm der Sack vom Kopf gezogen. Ein kleiner, verhutzelter Mann mit einem Gesicht wie aus Stahl starrte ihn mit offenem Mund an.
»Beim Schnitter der Seelen!« keuchte er. »Ein Nordländer! Wie kannst du es wagen, einen illegalen Sklaven in mein Haus zu bringen!«
»Spar mir deine verlogenen Proteste, Zahn«, sagte der Kapitän ungeduldig. »Ich weiß, wie dringend ihr im Augenblick Sklaven braucht – jeden Sklaven.«
Seine Worte schienen den Sklavenmeister ein wenig zu beschwichtigen. »Wo hast du ihn gefunden?« fragte Zahn stirnrunzelnd.
»Er ist an die Küste getrieben worden. Es scheint, als hätte er in diesem seltsamen Unwetter Schiffbruch erlitten. Wir haben auch einige im Wasser treibende Leichen und Wrackteile gesehen. Es muß sie weit vom Kurs verschlagen haben. Normalerweise haben sie mehr Verstand, als sich in unsere Gewässer zu wagen.« Er grinste wölfisch. »Aber genug davon. Willst du ihn haben, oder soll ich ihn den Gebietern übergeben, wie sich das für einen guten kleinen Korsaren gehört?«
Der Sklavenmeister schürzte die Lippen und begann, Anvar zu umkreisen, wobei er ihn sorgfältig von oben bis unten musterte und mit einem gelegentlichen Zwicken und Zwacken seine Muskeln prüfte. »Zieht ihn aus«, befahl er, und einer seiner Handlanger zog ein Messer, mit dem er die zerfetzten Überreste von Anvars Kleidern aufschlitzte. Anvar kämpfte verzweifelt, bis er plötzlich kalten Stahl auf seinem nackten Fleisch spürte. Er erstarrte und schluckte hart, als ihm klar wurde, wo sein Wächter das Messer angesetzt hatte.
»Was machst du da?« protestierte der Kapitän.
Zahn grinste bösartig. »Keine Angst, ich kann ihn genausogut als Eunuchen verkaufen, aber das wird wahrscheinlich nicht nötig sein. Er spricht vielleicht nicht unsere Sprache, aber ich denke, er versteht, was wir meinen.«
Schweiß trat Anvar auf die Stirn. Obwohl ihn die Berührung von Zahns allzu zudringlichen Händen auf seinem Körper anekelte, gab es nichts, was er hätte tun können. Seine Arme waren noch immer gefesselt, und zwei stämmige Handlanger standen links und rechts neben ihm, von denen einer ihm das Messer an besagte heikle Stelle seines Leibes drückte. Anvar ballte die Fäuste und schauderte. Um seine Gedanken von dieser Untersuchung abzulenken, konzentrierte er sich auf seine Umgebung. Er befand sich in einer großen, kreisförmigen, aus Steinen gebauten Kammer mit einer gewölbten Decke. In der Mitte erhob sich eine mit Seilen abgegrenzte Plattform, an deren einer Seite eine Reihe großer Eisenkäfige stand, die im Augenblick leer waren. Die Wände der Kammer wurden in regelmäßigen Abständen von einer Reihe schattiger Bogengänge unterbrochen. Nur in einem von ihnen funkelte der Glanz hellen Sonnenlichts, offensichtlich der Weg nach draußen.
»Nun ja …« hörte Anvar Zahn sagen und richtete seine Aufmerksamkeit sofort wieder auf den Sklavenhändler, der ihn nachdenklich betrachtete. »Er ist alles in allem in einem guten Zustand«, sagte er zu dem Kapitän, »und er scheint stark genug zu sein,
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